Freitag, 20. Januar 2012

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Dienstag, 10. August 2010

Traktate, Titel und Tortellini

Antescriptum: Nachdem ich nun Monate lang kein Wort hierüber von mir habe hören lassen und ich dies zutiefst bedauere (wenn man einmal mit dem Nichtschreiben begonnen hat, ...), möchte ich Euch zum Abschluss meines Aufenthalts in Italien den Abschlussbericht zukommen lassen, der das gesamte Erasmus-Jahr rekapituliert. Mit diesem sei der Blog denn auch geschlossen, immer hoffend, die Beiträge des Verfassers haben die Leserschaft unterhalten und angeregt.

Die Fotoseite wurde auf den neuesten Stand gebracht. Viel Spaß mit allem!

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Zuallererst sei ein jeder, der mit dem Gedanken spielt, seinen Erasmus-Aufenthalt in Italien zu verbringen, in seiner Entscheidungsfindung bestärkt, weil dieses Jahr dermaßen viele gedankliche Reichtümer überbringt, dass es nicht nur schade, sondern desaströs wäre, von dem Gedanken abzulassen. Das italienische Rechtssystem mit seinen Verschiedenheiten und Tücken, seinen Umständlichkeiten, aber auch seiner Tradition wird begleitet von einem kaum anderswo erreichbarem kulturellen Schatz und der Gewissheit, das laissez-faire, das die Italiener verliebt dolce vita nennen, plastisch erleben zu dürfen. Wenn ich mich auch im Folgenden auf das Wesentliche zu beschränken versuche, stehe ich sehr gern allen Neugierigen per E-Mail zur Verfügung.

I. Vorbereitung

1. Sprache (Kenntnisse und Kurse)

Wer nach Italien geht, der liebt Italien. Und zu diesem außergewöhnlichen Land gehört seine melodische Sprache, deren Beherrschen während des Aufenthalts essentiell ist. Man braucht sich nichts vorzumachen: Kaum ein Italiener spricht Deutsch und Englisch beherrschen die meisten nur höchst fragwürdig. Ganz unabhängig davon, dass das Italienisch ohnehin die ästhetisch vorzugswürdige Option darstellt, sind Grundkenntnisse ebenso dringend wie nötig und können auf passablem Weg unter anderem beim Zentralen Sprachlabor der Universität Heidelberg durch vierstündige Basiskurse erlernt werden. Ein sehr effizientes Angebot stellen aber insbesondere die Sprachkurse vor Ort dar, die programmunabhängig (und leider oft, ohne dass man von ihnen weiß) in Perugia und Siena angeboten werden und authentisch in Land und Leute einführen.
In Bologna dann gibt es obendrein einen Sprachkurs vonseiten der sog. CILTA, einem dort ansässigen universitären Sprachlabor, dessen Belegung kostenfrei ist. Der Kurs findet im September statt, ein zweiter, der sehr oft wegen zu hoher Nachfrage angeboten wird, läuft dann vorlesungsbegleitend im November. Die Kurse sind sinnig, insbesondere weil man Leute kennenlernt und manch eingerostetes Wissen reaktivieren kann. Obendrein finden sich einige Privatsprachschulen in der Stadt, die kleine, teils sehr effiziente Kurse zu dann allerdings fürstlichen Preisen anbieten.

2. Zimmersuche

Am klügsten freilich ist es, zur Verbesserung der eigenen Sprachfähigkeiten mit Italienern zusammenzuwohnen. Das Finden einer schönen Wohnung, eines Zimmers im Allgemeinen ist unterdessen mindestens ein Gesellenstück. Die Bolognesen flüchten im August fast vollständig aus der Stadt, sodass eine vorherige Suche nur im Juli Sinn ergibt. Die Alternative wäre dann ein Ausschauhalten direkt im September, mit gewiss noch größerem Angebot, aber vielleicht zu viel Zeitdruck. Jedenfalls empfiehlt es sich, für diesen Zeitraum im Hotel und nach Möglichkeit auch sehr zentral zu wohnen. Für jeden Hotelaufenthalt in Bologna gilt die Regel, je zentrumsnäher, desto besser. Im Juli lohnt ein Besuch besonders, weil der größte Platz der Stadt, die imposante Piazza Maggiore vollständig bestuhlt wird, sodass gut vierzehnhundert Menschen Platz finden, um jeden Abend kostenfrei einen herrlichen Film zu schauen.
Für die eigentliche Wohnungssuche empfiehlt sich die Anmeldung bei den einschlägigen Portalen, vor allem easystanza. Auf Empfehlung hatte ich damals eine monatliche Premiummitgliedschaft gekauft, die mir gleich die Telefonnummern der Inserenten anzeigte. Man schalte dort ruhig auch ein gut formuliertes, aussagekräftiges Gesuch und warte auf Nachrichten. Über diesen Weg habe ich mein wunderschönes Zimmer in unserer Zweier-WG direkt an den Due Torri, dem Wahrzeichen der Stadt, erhalten. Sicherlich sei obendrein ein aufmerksamer Blick an die in der via Zamboni, der Studentenstraße, aufgeklebten Inserate angeregt. Und gleich die erste große Falle dort: Italiener lieben Titel und Superlative. Wie jeder bessere Student von der Bedienung in der Kneipe Dottore genannt wird, verbirgt sich hinter einem centralissimo gelegenen, lichtdurchfluteten Zimmer gern ein dunkles Loch fernab jeder Stadtmauer, innerhalb derer ich ein Wohnen unbedingt anrege.
Die Mietpreise sind auch für Heidelberger Studenten hoch, weil man oft 400 bis 550 Euro für ein Einzelzimmer in einer WG rechnen sollte. Einzimmerwohnungen, sog. monolocali, kosten 700 Euro und mehr, bringen obendrein nicht den gewünschten kulturellen Austausch. Wegen der hohen Preise (für oft nicht zufriedenstellenden Komfort) ist es durchaus üblich, sich ein Zimmer als doppia (Doppelzimmer) zu teilen. Deren Preise kursieren dann um etwa 300 Euro. Nebenkosten sind meist zusätzlich anfallend und wegen mehrfach fehlender Mietverträge teils willkürlich hoch. Man achte also sorgfältig auf den Vermieter. Nach einiger investierter Zeit wird man dann sein Domizil gefunden haben und womöglich noch über lustige italienische Mitbewohner staunen, von deren Gewohnheiten zu lernen täglich mehr zur Freude werden wird.

II. Ankunft

1. Behördengänge

Auf Dauer dann in Bologna angekommen, sind freilich ein paar Behördengänge zu erledigen. Zunächst sollte man zum International Office gehen und sich "anmelden". Hierfür genügt meiner Erinnerung nach das Mitbringen zweier Passfotos sowie des Personalausweises. Um langes Warten zu umgehen, ist es ratsam, sich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen und bereits eine halbe Stunde vor Beginn da zu sein. Der Vorgang selbst dauert nicht lang, das Personal ist sehr freundlich und spricht auch Englisch. Nach ein paar Tagen dann darf man wiederkommen und erhält seine Erasmusmappe inklusive Ausweis, Chipkarte und (relativ unnützem) Informationsmaterial. Die dort unterzeichnete certification of host university faxt man alsdann unverzüglich nach Deutschland, wobei die unzähligen copisterie dankbarer Anlaufpunkt sind.
Ebenfalls notwendig ist es mitunter, ein italienisches Bankkonto vorweisen zu können. Wer mit Kreditkarte im Ausland abhebt, umgeht das fürs Erste. Sofern man sich aber in irgendeiner Gelegenheit vertraglich binden möchte, ist es erforderlich, ein italienisches Konto aufzuweisen. Hierfür empfehle ich die Deutsche Bank Italia, die eine Filiale in der via Marconi hat und Studenten ein kostenloses Girokonto zur Verfügung stellt. Service wie Beratung sind ausgezeichnet und unkompliziert.

2. Handy

Es empfiehlt sich, in Bologna eine Prepaid-Karte zu kaufen, mit der man dann zu sehr günstigen Konditionen telefonieren kann. Die meisten Studenten nutzen das Netz Wind, sodass man untereinander für einen Zuschlag von sechs Euro monatlich grds. kostenlos telefoniert, Milliarden Frei-SMS inklusive.

3. Verkehrsmittel

Wer meiner Empfehlung folgt und unmittelbar ins centrocentro zieht, benötigt nur wenige Verkehrsmittel. Das Mitbringen oder gar Anschaffen eines Autos ist nicht ratsam, weil keine sicheren und gleichzeitig bezahlbaren Parkplätze zur Verfügung stehen; Innenstadtgaragen kosten monatlich gern dreistellige Summen. Sofern man für Reisen ein Auto benötigt, gibt es jede Menge Autovermietungen.
Bologna kann einen Flughafen aufweisen, der auch regelmäßige Verbindungen nach Deutschland kennt. So fliegen täglich mehrere Maschinen nach Frankfurt oder München (Lufthansa, oft gute Angebote für 100 Euro beide Wege), eine nach Köln/Bonn (Germanwings) und eine nach Hahn und Weeze (Ryanair), ebenfalls mit guten Angeboten. Auch für inneritalienische Flüge sind die Anbindungen sehr günstig. Gleichzeitig ist die Stadt Schienenknotenpunkt des italienischen Eisenbahnnetzes, sodass man geschwind und in aller Regel sehr günstig alle großen italienischen Städte erreicht. Stündlich verkehren Frecce, die zwar teureren, aber außerordentlich schnellen Züge, nach Süden (Rom, Neapel) und Norden (Mailand). Obendrein ist das Regionalverkehrsnetz weitaus stärker ausgebaut als in Deutschland, sodass sich auch mal eine Fahrt zu den Weihnachtsmärkten Südtirols anbietet.
Wer gleichwohl für Einkäufe ein Fahrrad im Innenhof stehen haben möchte, der sollte nach Möglichkeit vor Ort eins kaufen, um es dann zum Ende einfach zu verkaufen oder stehenzulassen. Die Diebstahlsquote an Fahrrädern ist überdurchschnittlich, sodass es sich insbesondere im Univiertel nicht empfiehlt, wunderschöne nostalgische Kunstwerke ins Stadtbild einzufügen zu versuchen.

4. Erasmusorganisationen

Gerade für den Anfang hilfreich sind die zwei großen Erasmusorganisationen (ESN und ESEG), die ein Programm für neue Auslandsstudenten anbieten, das von Reisen über Tandemangebote bis hin zu Abendprogrammen reicht. Wenngleich wir das Land lieber selbstorganisiert und außerhalb von Zeitplänen erkundet haben, bietet manches anberaumte Treffen gerade am Anfang Möglichkeit, einander genauer kennenzulernen. Die Teams sind in der Regel sehr freundlich und familiär organisiert. Ich rate indessen dazu, spätestens zum zweiten Semester auch mal selbst und ohne Zehnliterflaschen Alkohol die Umgebung zu bereisen.

III. Studium

1. Organisation und Ablauf

Wer in Italien studieren möchte, sollte von Beginn an eine offene, unvoreingenommene Haltung an den Tag legen. Vieles ist weniger engmaschig geregelt, manches einfach unergründliches Gewohnheitsrecht. Das Jurastudium ist vollkommen anders organisiert, als wir es hierzulande kennen. Die Studenten haben ein "3+2"-System, das die italienische Übersetzung für "Bologna-Prozess" sein soll. Einen Abschluss erhält derjenige, der eine gewisse Anzahl an Prüfungen, die immer am jeweiligen Semesterende abgehalten werden (dazu sogleich), besteht. Ein Endexamen in Form eines Staatsexamens kennt das italienische System nicht.
Die juristische Fakultät selbst ist eine merkwürdig-interessante Melange aus traditionalistischem Professorenkult und italienischer Coolness, der sich wiederum auch die Professoren anzunehmen schienen. Ein Professor taucht daher gern einmal sonnenbebrillt mit zwei Assistentinnen im Hörsaal auf, erntet tosenden Applaus, lässt sich befeiern und genießt im Anschluss daran ab Beginn seiner fachbezogenen Ausführungen (oft erst nach zwanzig Minuten oder mehr) absolute Ruhe und den Respekt seiner Studenten. Das macht die Vorlesungen sehr amüsant und abwechslungsreich.
Das Gebäude, ein uralter Palazzo mit wunderschönem Innenhof, befindet sich am Anfang der via Zamboni und beherbergt das Gros der Vorlesungsräume. Die Akustik leidet leider sehr oft an den hohen Räumen, sodass es nicht immer einfach ist, alles zu verstehen. Obendrein gibt es ein in der Nähe gelegenes Gebäude (via Belmeloro), in dem auch sehr große Hörsäle untergebracht sind und das sich alle Fakultäten teilen. Dort finden vor allem Veranstaltungen für die ersten Semester statt, weil deren Besucherzahl jede Kapazität der heiligen Hallen sprengt.
Es schadet gewiss nicht, sich in der Pause dem Professor als deutscher Gaststudent vorzustellen und ein bisschen zu plaudern, sodass sich ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Zwingend ist dieses mE aber nicht: Generell delegieren die Professoren überdurchschnittlich viel, sodass ein persönlicher Eindruck in den meisten Fällen zwar nicht schadet, aber leider auch oft belanglos im Raum steht. Vieles wird von den Assistenten organisiert, die den Gaststudenten aber allesamt sehr freundlich, aufgeschlossen und vor allem verständnisvoll begegnen.
Neben dem sog. Erasmus-Tutor existiert im Gebäude der juristischen Fakultät auch ein eigenes Erasmusbüro (ungleich International Office), das immer freitags um die Mittagszeit geöffnet ist und Anlaufstelle für Unterschriften und Hilfestellungen sein kann.

2. Kurswahl

Für die Kurswahl sollte man sich die großzügig zugestandene Zeit auch nehmen. Das Vorlesungsverzeichnis, das man vorab auf der Homepage der juristischen Fakultät einsehen kann, ist sehr groß, aber immer für ein gesamtes Akademisches Jahr (A.A.) konzipiert. Daraus folgt der (uns fremde) Schluss, dass man nicht erkennen kann, ob eine Vorlesung im Winter- oder Sommersemester angeboten wird. Das Verzeichnis wird daher ergänzt von den sog. orari delle lezioni, den Stundenplänen, die jeweils ab Semesterbeginn (wohl ab September) ebenfalls über die Seite der juristischen Fakultät einsehbar sind. Dort findet sich dann ein detaillierter Stundenplan, aufgeteilt nach den einzelnen Semestern. Gleiches gibt es bei besagtem Erasmusbüro in der Fakultät auch als Handreichung.
Ich empfehle, durchaus auch Vorlesungen in Betracht zu ziehen, die für fortgeschrittene Stundenten konzipiert sind, weil die Kurse kleiner und der Zugang zum Professor sowie insbesondere die Lernatmosphäre besser sind. Gerade manch Erstsemesterkurs, der teils viergleisig in Hörsälen mit gut besetzten 300 Studenten gelesen wird, ermüdet eher, als dass er Zugang zur Denk- und Arbeitsweise an einer italienischen Universität bringen kann.
Die Europa- und Völkerrechtskurse, die erst im Sommersemester angeboten werden, sind sehr hilfreich und intensiv. Es gibt nämlich die Regel, dass jeder Kurs, auch der des Seehandelsrechts, in sechs Semesterwochenstunden gelesen wird. Man sollte sich daher keinesfalls überfrachten, weil dann kein hinreichendes Verfolgen der Vorlesung mehr möglich ist. Ich rate dazu, italienischsprachige Kurse zu besuchen, weil das Englisch an der Universität leider oft nicht gut beherrscht wird und es doch auch interessant ist, die juristische Fachsprache Italiens ein bisschen näher kennenzulernen. Insbesondere kann ich Kurse von Professoressa Rossi (Wintersemester) und Professore Tanzi (Sommersemester) empfehlen, die genau und doch verständlich dozieren. Gerade in der ersten Woche sollte man viel hören, um schon ein Bild davon zu bekommen, was in die engere Auswahl gelangt. Erst nachdem all das geschehen ist, ist es sinnig, das Learning Agreement in endgültiger Fassung aufzustellen und unterschreiben zu lassen.

3. Prüfungen

Der italienische Prüfungsmythos weht durch die portici Bolognas, jene Bogengänge, die das Flanieren auch bei Regen zu einem Kinderspiel werden lassen... Mit esame meint der gemeine italienische Student eigentlich immer eine endsemestrige Prüfung, die zumeist mündlich abgenommen wird und irgendeine Punktzahl einbringt, die für ihn zum Ende seines Studiums vielleicht einmal interessant ist. Immer vorausgesetzt, ein neues Gesetz denkt sich das nicht anders. Und so kriechen Manie und Panik sehr leicht in die Köpfe, gerade in die der Gaststudenten.
Ich halte es für unerlässlich, sich zu vergegenwärtigen, worum es hier überhaupt geht. Nämlich um das pure Abfragen des Kursinhaltes eines Semesters. Dazu werden von den Professoren gewisse Traktate (manuali) empfohlen, die oft auch von ihnen herausgegeben werden und dadurch den Stoff schön systematisch am Vorlesungsablauf orientiert darstellen. Man tut gut daran, während der Vorlesung einfach immer begleitend das Buch zu lesen (Achtung, Bestellungen dauern in italienischen Buchhandlungen nicht einen Tag, sondern grds. eine Woche), was eine panische Prüfungsvorbereitungszeit vermeidet. Wenn man wie wir nicht gezwungen ist, viele Kurse zu besuchen, kann man es schaffen, das teils leider sehr anspruchsvolle Fachitalienisch zu meistern. Das von mir zu bearbeitende Völkerrechtslehrbuch umfasste 600 Seiten, die sich gewiss nicht wie 600 deutsche Seiten lasen. Das sollte man ebenfalls bei der Kurswahl mitbeachten.
Während des Kurses wird in der Regel irgendwann mitgeteilt, wann die Prüfungen stattfinden. Die Prüfungszeit schließt sich dabei immer an die Vorlesungszeit an. Zur Anmeldung ist eine Zusammenstellung des Studienplans im Onlineportal der Universität notwendig, die allerdings kinderleicht ist. Im Anschluss muss man sich dann noch mal für den jeweiligen Kurs, den man zuvor im Studienplan erfasst haben wollte, zum jeweils korrespondieren Prüfungstermin anmelden. Man erhält eine Bestätigung mit einer Prüfungsnummer und glaubt, alles sei hervorragend organisiert.
Die Realität lehrt uns das Gegenteil. Zum vorgemerkten Prüfungstermin erscheint man dann zu angegeben morgendlicher Uhrzeit. Alsdann sammelt ein Assistent des Lehrstuhls unter Aufrufen der Namen der online Angemeldeten die libretti (Studienbücher) ein, die bei Erasmusstudenten nur ein Blatt tabellarisches Papier sind. Mit diesem Haufen an Studienbüchern verschwindet er in den Prüfungsraum, einem Hörsaal, in dem vorn ein langer Tisch steht (analog Bundespressekonferenz), an dem wiederum die Prüfer Platz nehmen. Das sind je nach Kursgröße zwischen drei und fünf. Der riesige Berg Studienbücher wird dann willkürlich zwischen den Prüfern verteilt, sodass die vorab zugestandene Prüfungsnummer überhaupt keine Relevanz hat. Der Rest des Hörsaals ist indessen von allen wartenden Studenten gefüllt und die jeweiligen Prüfer rufen ihren Prüfling auf, der dann wie bei einem Beratungsgespräch vor ihnen Platz nimmt. Der Prüfer schaut in das zu lesende Lehrbuch, nennt ein Kapitel und der Student soll all das dazu erzählen, was er gelernt hat. Nach höchst unterschiedlicher Zeit bekommt man dann eine Punktzahl gesagt und geht zu dem Assistenten von vorhin, der die Zahl dann in den Computer eingibt. Dieser technische Vorgang ist nötig, damit die Prüfungsleistung "verbalisiert" wird und dann im Onlinestudienplan des jeweiligen Studenten auftaucht. Obendrein bekommt man – sicherheitshalber – sein Studienbuch mit dem jeweiligen Prüfungsergebnis ausgefüllt. Oft misslingen nämlich die Verbalisierungen, wenngleich sie die Modernität der Fakultät zu unterstreichen vorhatten.
Die Prüfer sind in aller Regel, zumal wenn es sich um Gaststudenten handelt, sehr nett und hilfsbereit, sodass man keine unnütze Angst haben muss. Allerdings ist es durchaus anstrengend, die ganze Zeit zu warten, bis irgendwann dann mal der eigene Name aufgerufen wird. Das dauert dank Mittagspause des Professors teils sechs Stunden, wie ich selbst erleben musste. Dann aber ist alles gut und man kann hoffentlich froh und zufrieden nach Hause gehen – oder eben flanieren.

IV. Freizeit

1. Reisen

Wie bereits oben erwähnt, ist Bologna in jeder Hinsicht Verkehrsknotenpunkt. Das bringt für den Studenten viele Vorteile, nicht zuletzt zum Reisen. Die Emilia-Romagna sollte durchaus auch erkundet werden, selbst wenn der Reiseführer sie mit wenigen Worten abtun möge. Parma lohnt besonders zum Schinkenfest im Herbst, Modena zum Besuch des Museums für den Balsamessig in Spilamberto, zu dem man abenteuerlich überland fahren muss, aber mit erstklassigem aceto balsamico tradizionale belohnt wird. Ravenna lohnt einen Ausflug wegen seiner famosen Kirchen und nicht zuletzt bietet das Meer Anreize zum Baden.
Venedig ist mit dem Zug ebenfalls sehr gut erreichbar und lohnt insbesondere als Paar mit Übernachtung. Florenz wie die gesamte Toskana liegen in guter Erreichbarkeit und könnten das Anmieten eines Autos rechtfertigen. So manches agriturismo in den Bergen zwischen Bologna und Florenz wartet mit Köstlichkeiten und tollem Ausblick regelrecht auf einen Besuch mit Übernachtung. Während des Jahres rate ich freilich auch unbedingt eine Romreise an, die mindestens drei Nächte umfassen sollte. Gerade im noch schönen Herbst oder im frühen Frühling sind die großen Städte wie Rom, Venedig oder Mailand nicht überfüllt und auch zentrale und schöne Hotels bezahlbar. Wir haben obendrein noch eine Reise nach Perugia und Assisi unternommen, die ich nur weiterempfehlen kann. Diese mittelalterlichen Stätten gehörten zu den schönsten Zielen meines Jahres.
Oberhalb von Mailand bietet das Piemont mit Turin tolle Anreize, einen richtig ausladenden aperitivo einzunehmen, der die Augen größer werden lässt. Von dort aus gleich weiter nach Ligurien ans Meer, entlang der cinqueterre über Portofino an die Riviera, dort dann ein Auto mieten und schließlich, was liegt näher?, kurz nach Südfrankreich herüber, in Nizza einen Chanson hören und die reizvolle Landschaft auskosten. Ein großes Vorhaben, das geplant sein will, aber in einer Kleingruppe bis vier Leute wunderschön und dauerhaft in Erinnerung bleiben wird. Von wo aus ginge all das besser als von Bologna!?

2. Bologna – la grassa

Bologna werden oft drei Eigenschaften nachgesagt. Sie sei la rossa, die Rote, entweder wegen ihrer roten Dächer oder (Alternativthese) des etwas linken Studentenlebens, das aber nur so alternativ ist, wie man es selbst möchte, bietet die Stadt doch gerade für alles und jeden genau das Richtige, um glücklich zu werden. Ferner sei sie la dotta, die Gelehrte wegen ihrer Universität, die als älteste europäische Universität verstanden wird.
Drittens schließlich nennt man sie la grassa, die Fette, und das aus einem nur allzu passenden Grund: der herausragenden Küche höchster Qualität. Die Emilia-Romagna, deren Hauptstadt Bologna ist, kann nämlich guten Gewissens das kulinarische Herz Italiens genannt werden. Aus der Region um Parma stammt der delikate luftgetrocknete Parmaschinken, ebenso wie der Parmigiano Reggiano, aus Modena kommt der teils exzellente aceto balsamico, und direkt bolognesisch ist die fleischige Pastasauce, die dort nur ragù genannt wird. Obendrein verbindet man mit Bologna die lasagne und jede Menge frischgemachte Pasta, vornan die tagliatelle und die tortellini. Das alles zusammen ist beste Voraussetzung für eine Küche der Träume, die man in der Stadt geboten bekommt. Wegen der relativ wenigen Touristen (Bologna hat keine gänzlich fußgängeraffine Innenstadt; ein Fluss fehlt obendrein) passt man sich nicht an fremdländische Gewohnheiten an – die Küche bleibt authentisch und hochwertig.

Und so wird des Gourmetstudenten Herz höher schlagen, wenn er durch die Schinkenstraßen läuft und hier und dort einkauft, mal ein Stück Kalb, mal Schinken, mal Käse, mal frische Artischocken, mal tollen Fisch, und dort wie jeder andere Bürger Bolognas hofiert wird. Und so läuft er nach Hause, die Tüten voll, legt einen Stop in der Caffè-Bar um die Ecke ein, trinkt einen Spritz, parliert dabei kurz mit dem Betreiber über den besten Prosecco, den man dafür nehmen sollte, grüßt zufrieden in den Abend, kehrt nach Haus zurück und kocht – unter dem durchschlagenden Gefühl, wirklich angekommen zu sein.


Bologna, Juli 2010

Sonntag, 14. Februar 2010

Schlemmerparadies - mehr denn je

Plötzlicher Anflug von Impertinenz, bewusstes Abtauchen, Unverschämtheit, Verschollensein ...

Derlei mag man Eurerseits so denken über das nicht gerade rege Wiederbeleben meines Blogs im neuen Jahr 2010, für das ich Euch am Rande und im Übrigen noch alles nur erdenklich Gute wünschen will.

Beruhigt könnt Ihr sein: Mir sind während des Jahreswechsels keine Impertinenz-Allüren zugeflattert, und vom Verschollensein bin ich auch ein gutes Stückweit entfernt. Im Gegenteil, im Gegenteil. Ich fand einfach nicht die Zeit oder besser Ich nahm mir einfach nicht die Zeit, Euch an meinem neujährlichen Bolognaleben teilnehmen zu lassen. Nun aber habe ich mir in meiner unschätzbar hohen Sozialkompetenz ein Herz gefasst und es gewagt: Hört, hört! Da ist er, der erste Blogbeitrag anno currente. Dass es der längste werden wird, das steht weder für Euch noch für Eure hochgeschätzten Augen zu befürchten. Ich reiße mich – wohlwollend, wie ich bin – etwas zusammen und straffe alle Erlebnisse in eine konzise Zusammenschau.
Dass hier alles zu bester Ordnung steht, sieht man vielleicht an einer kleinen Beschreibung des Tagesabschnitts, in dem ich mich gerade und jetzt befinde: die Frühstückszeit. Auf dem Gasherd quackert die Bialetti vor sich hin, nebenan Gevatter Milchaufschäumer, wenige hundert Meter weiter im Salon des De-Vincenti-Penthouses dann allerschönste Sonntags-Frühstücksidylle mit Kerzen, viel weißem Damast und ner guten Portion italienischen Delikatessen, die vom Friaulschen San Daniele über das emilianische Bologna bis zum lombardischen Mailand reichen. Naja, und dass deutsche Marmelade sich dazugesellt, entbehrt ja jeder Diskussion. Hab ich Euch eigentlich schon erzählt, dass die Eier in Italien irgendwie auffallend orangenes Eigelb haben? Ihr als meine Gourmet-Entourage kennt das – ganz abwegig – vielleicht auch von der Nantaiser Ente, die öfters mal etwas gelber als ihre Leidensgenossen daherkommt. Der Grund mag wohl nur in der Maisfütterung liegen. So ist auf dem schönen alten Tisch alles versammelt, was glücklich macht und mich deshalb einmal in die passende Stimmung versetzt, ein paar Worte loszulassen.

Universitär gibt es noch nicht viel zu verlautbaren, weil die Alma Mater ihre Pforten erst wieder am ersten März öffnet und einstweilen also Ferienzeit ist. Was böte sich da Besseres an, als Bologna hinter sich zu lassen und einfach noch exzessiver als bisher durch die Lande zu reisen?! Nach dem Weihnachtsmarkttrip ins idyllische Bozen brachte dieses Jahr nun die Idee aufs Tapet, einmal ganz à la Goethe ins schöne, weil mittelalterliche Perugia zu reisen und obendrein benachbartes Assisi anzuschauen (vgl. hierzu wie generell meine Fotoschau unter http://heidelbo.twoday.net/topics/Fotos/ ). Gesagt, geplant, getan. Diese Trias mag mancher spießig finden, weil doch nicht alles geplant werden müsste. D'accord. Und dennoch waren und sind wir uns absolut einig, vorab wenigstens ein bisschen Reiseführer und – noch wichtiger! – Restaurantführer gelesen zu haben. Denn nur so lassen sich schnuckelige Hotels und urige Trattorien finden, nur so werden Idyllen nicht auf dem kurze-Hosen-Tourist-Altar geopfert. Tja, so freilich auch in Perugia, wo wir höchst idyllisch zwei Tage weilten, lecker den schwarzen Spoleto-Trüffel verschlangen und Kultur bis ins kleinste Detail einatmeten. Tags darauf setzte Assisi noch eins drauf und schaffte es, dass uns Umbrien nun endgültig verzaubern konnte.
Aber wir wären keine Reisefreunde, wenn es dabei geblieben wäre. Selbstverständlich waren auch wieder Städte wie Mailand oder Padua im Programm, wo entweder leckere, ausufernde Aperitivi oder mit Entenragout gefüllte Tortelli uns kulinarische Zufriedenheit einhauchten. Schließlich und letztlich dann aber trieb mich die Toskana noch um und so kombinierte ich das geschickt mit Charlottes separater Umbrien-Toskana-Woche, in die ich im toskanischen Teil "zustieg". Diese lokomotivische Allegorie war gewollt – bedenkt man, wie abenteuerlich diese ganze Zugfahrerei doch war. Das letzte Stückchen ins Weinparadies Montepulciano, das wir uns gemeinsam als Toskanaörtchen aussuchten, legten wir abenteuerlich ohne Zugoberleitungen und daher mit Dieselantrieb zurück. In Montepulciano angekommen, war das historische Zentrum aber weit und breit nicht zu sehen, nach Auskunft gar zehn Kilometer entfernt. In einem Minibus über toskanische Hügel, staubige Straßen, entlang der Zypressenalleen fanden wir schließlich das traumhafte Montepulciano, in dem wir nicht nur sehr schön wohnten, sondern auch vorzüglich frische Pasta mit betrüffeltem Wildschweinragout regelrecht verschlangen. Die (an sich unter Euch geradehin nicht vorhandene, dennoch in Person mancher Fremdleserschaft existieren könnende) McDonald's-Fraktion wird sich fragen, warum ich ständig nur vom Essen spreche. Soll sie sich das mal ruhig fragen.
Ursprünglich plante ich aber nicht nur Montepulciano, um die Toskana zu entdecken, sondern wollte noch ein feines Schmankerl (ausnahmsweise nicht kulinarischer Provenienz) draufsetzen, nämlich die berühmten toskanischen Thermalquellen, die sich allerorten dort befinden, auskundschaften. Und so suchte ich mir einen wirklichen Ruhepol in den Bagni San Filippo, einem Weiher mit nicht mehr als fünfzig Einwohnern, einem sehr schönen Hotel und angeschlossenen Felsthermalschwimmbecken mit fünfzig Grad heißem Wasser. Voller Erwartung schaute ich vorab schon bei dem Busunternehmen aus Siena nach, wie genau ich denn dort hinkäme (zwei Busse am Tag) und war bestens präpariert auf zwei weitere Tage Toskana, diesmal in nicht überbietbarer Abgeschiedenheit. Nicht überbietbar war sie aber leider auch insoweit, als das Hotel bis April überhaupt nicht geöffnet hat. Eine kleine Enttäuschung, wie ich zugeben muss. Und dennoch freue ich mich umso mehr darauf, dieses Erlebnis baldestmöglich nachzuholen!

Nun ja, aber realistisch gesehen bin ich das Gros der Tage natürlich gleichwohl in Bologna, dieser nach wie vor wunderschönen Stadt mit wahnsinnig hohem Freizeitwert und bester Küche. So erinnere ich mich nur der tollen Abende in der Trattoria San Felice (in der es für einen Spottpreis von zwölf Euro ein ganzes Menü authentischer bolognesischer Küche gibt), des Aperitifs in der Champagner-Bar, bei dem Hellen und ich Zeugen unergündlicher Zaubertricks wurden, oder der leckeren Mittagessen bei Tamburini (Wursthandlung mit korrespondierendem Mittagstisch) und Cesare, für deren Empfehlung ich spätestens an dieser Stelle Felix mal danken muss.
Hinzu kommen unzählige Abendessen in meinem bescheidenen Hause, dem wir mehrheitlich liebevoll den Namen "Palazzo De Vincenti" gegeben haben. Diese Entscheidung wurde im Übrigen nicht nur von meinem Mitbewohner Max mitgetragen. Max, von dem ich Euch schon ein paar Male erzählt hatte, ist nun ausgezogen und studiert fortan in Kanada. Hinterlassen hat er ein leeres Zimmer, in das ihm nun vor zwei Wochen meine neue Mitbewohnerin Anna nachfolgte. Sie ist eine ausgesprochen nette, sehr angenehme Schwedin, die auch sehr gut Italienisch spricht, sodass wir sehr gut zurechtkommen. Nun ja, und weil leider sehr, sehr viele meiner Freunde nach diesem Semester wieder nach Deutschland gehen, habe ich wenigstens ein bisschen willkommene Abwechslung ein paar neue Impulse, damit auch die schöne Jahreszeit kommen kann. Begleitet wird diese dann von sehr vielen Besuchen und auch ein bisschen Uni, sodass die Zeit wie im Fluge vergehen wird. Das befürchte ich jedenfalls... Aber rein theoretisch ist's bis dahin noch eine lange Zeit, die dieses Mal hoffentlich wieder von regen Blogbeiträgen begleitet werden wird. Darauf dürft Ihr Euch freuen. Nun aber ist gut mit der Schreiberei: Gleich steht Besuch vor der Tür, der wahnwitzigerweise ein Mehrgängemenü zuzubereiten plant. Schon wieder Essen.
Küche, ich komme – hic Rhodus, hic salta!

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Weihnachten halb undeutsch

Klipp, klapp zeigt mein smarter Retro-Klappzahlenwecker schon wieder halb zwei Uhr nachts an. Wenn ich mit den nun folgenden Zeilen abgeschlossen haben werde, wird es noch später sein. Aber es ist mir egal; schließlich will ich wieder einmal die Erinnerungen der letzten Wochen zusammenfassen und Aussichten auf die nächsten aufzeigen. Italo-Rock raunt im Hintergrund und gibt mir mitten in der Nacht irgendwie die Freude, dem Wecker-Klipp-Klapp auf der Tastatur Konkurrenz zu machen.

Zuletzt, soll meinen die letzten Tage peitschte der Regen willkürlich an unsere sonst sorgfältig geputzten mannshohen Fenster. Aber auch das war mir egal: Ich saß mit bester (F.A.)ZEITungslektüre an meinem mittlerweile liebgewonnenen, antiken Frühstückstisch, schlemmte und trotzte der Witterung. Und, schau an, ich werde erlöst. Heute, jetzt, die nächste Zeit soll es Petrus der Wetterzunft zufolge erstklassig mit uns meinen, blauen Himmel mit Sonnenbrillenoption bescheren. Hach, wie sehr mich das freut.
Hinzu kommt unverschämterweise sogar noch, dass heute wie gestern Feiertag war, die Leute die Seele baumeln ließen, in der Stadt herumschlenderten und dabei ihr Lauftempo noch mehr, ja gar auf mir bislang unbekanntes Maß verringerten. Aber warum sollte mich das auch stören?! Heute reihte ich mich in sie ein, genoss die aufkeimende Adventsstimmung und kaufte ein glücklich machendes Paar Raulederschuhe. Ja, die Läden waren fürwahr geöffnet. Das Schuhangebot ist wirklich immer wieder löblich erstaunenswert: Jüngst erst konnte ich ein paar dunkelbraunen Budapestern nicht widerstehen. Dabei bin ich gar nicht der klassische Schuhfetischist, schätze eher die schönen blauen italienischen Hemden und die tollen Pullover. Aber für ein stimmiges Bild dürfen ein paar Schühchen ja auch nicht fehlen. Und wenn ich bedenke, was die weibliche Zunft so für zweifelsohne fein geformte Füße kauft (ja, ich meine auch die Mädels in Bologna, die das grad lesen oder vermutlich ganz verstohlen überlesen), macht mir das alles kein schlechtes Gewissen. In Deutschland bekommt man derlei ja auch nicht in solch Angebot – ein wunderfeines Argument, wie ich immerfort finde.

Naja, das klingt so, als würden wir den ganzen Tag nichts anderes machen als die Läden leerzukaufen. Grundfalsch, liebe Freunde. Da ist auch noch die Uni (gewesen). Den Klammerausdruck deswegen, weil für Jura das Vorlesungssemester bereits Geschichte ist und wir in die Weihnachtsferien entlassen wurden. Ja, an Nikolaus bereits. Zuvor hatte ich meine erste Prüfung zu meistern, im italienisch-europäischen Internationalen Privatrecht (sic!) – eine Präsentation eines EuGH-Urteils in Form einer italienischen "Hausarbeit" und einem mittelkurzen Referat über selbige. Sehr spannend und im Ergebnis auch erfolgreich. Die Bewertung steht zwar noch aus, aber insgesamt war ich doch recht zufrieden. Und damit ist die Unikomponente für dieses Jahr abgehakt und wir können die Vorweihnachtszeit noch angenehm verbringen.

Seit meinem letzten Geschreibe ereignete sich in der Tat Einiges. So fuhr ich Ende November nach Heidelberg, um Freunde wiederzutreffen, ein bisschen die Stadt zu genießen, den Weihnachtsmarkt auszukosten und mir auch randweise die Anarchisten anzuschauen, die den Hörsaal besetzt hatten, mittlerweile aber – nicht zuletzt wohl auch dadurch, dass ich mit meiner tollkühnen zwanzigsekündigen Anwesenheit im Hörsaal 14 einen Impuls gesetzt zu haben schien – abgezogen sind. Und so brillierte mein geliebtes Neckarstädtchen wieder durch seine charmante Kulisse und deutschuniversitäre Gründlichkeit. Am Samstagabend waren wir dann beim Gründungsfestball der Palatia (bzw. ich zuletzt sogar noch kurz bei den Schwaben) eingeladen, einem Maskenball, der wie bisher immer ausgesprochen schön ausgestaltet wurde. Nach einer flammenden, wenngleich sachlich falschen Damenrede gab es lecker Essen und auch beeindruckende Haus-Musik (die nicht mit House-Musik verwechselt werden will) der Familie eines Alten Herrn, mitsamt Wiener Schnulzen (anders heißen diese nur adH, nämlich lautmalerisch herausstechend "Schmachtfetzen") und sich später höhepunktartig anschließendem Feuerwerk. Dass 23 Uhr dann endlich die Demaskierung angesagt war, kam mir sehr zupass, hatte ich doch eine zwar schicke, aber Atmen und Essen quasi-verhindernde Maske. Sonntag dann musste ich schon wieder weichen, Alt-Heidelberg, die Feine hinter mir lassen und nach Bologna zurückeilen, weil tags darauf justamente meine Prüfung im IPR anstand.

Das in Heidelberg geborene Weihnachtsmotiv hingegen schien auch einen Sitzplatz im Flieger bekommen zu haben und begleitete mich auch inmitten italienischen Tumults weiter. Wenn es kalt wird auf der Welt, so rücken die christlichen Kulturen immer näher aneinander und man spürt Weihnachten allerorten. Diesen Sonntag erst besuchte ich einen Freund in Mailand und auch dort kamen Weihnachtsgefühle auf. Wir machten einen kleinen Giro durch die Stadt, ich konnte auch dieses Mal wieder nur beeindruckt sein vom Dom und den schönen Dingen dieser Welt alldort. Abends dann wurde der riesige Christbaum auf der Piazza del Duomo angeschaltet, es stiegen Laternen auf und Weihnachtsmusik erklang. Nicht sonderlich kitschig, genauso wenig wie die ganze Dekoration. Die Italiener beweisen in diesen Dingen doch ein bemerkenswertes Stilgefühl. Und weil ich das Essen bislang noch gar nicht erwähnt habe und Ihr Euch insofern gewiss schon wundert, sei noch vermerkt, dass wir mittags ein exzellentes Mailänder Risotto verspeisten und uns abends an einem ausgesprochen guten Aperitif erfreuten, der buffetiert mit Lachs und auch warmen Spezialitäten keine Wünsche offen ließ. Zu schade, dass der Martini dann immer so schnell alle ist...
Ach, und wenn ich schon beim Alkohol bin: Eins, zwei Tage zuvor waren wir in einer Champagner-Bar, übrigens auch mit sehr schönem Aperitif-Büffet, und hatten dort doch tatsächlich höchst merkwürdige Begegnungen. Zuerst lehrte uns der Barmann die erschreckende Funktion eines kraftgebenden Plastikkärtchens bestimmter Provenienz (völlig unbegreiflich, aber wahr), und danach begegnete uns dort auch noch ein verrückter alter Herr, ergraut und von brüchiger Physiognomie, gleichwohl mit jungenhaft glattem Gesicht, der uns von seinem Leben erzählte und zwischendrin gar sang. Alles dies erinnerte uns erschreckenderweise an das Todesmotiv in Thomas Manns "Der Tod in Venedig", wo der Todesengel Geige spielend das Hotelpublikum aufscheucht. Und dass nebenher noch immer das Seminar zu dem Werk läuft, das wir beide, die wir da abends aßen, halbregelmäßig besuchen, macht die Verwunderung über diesen insgesamt schon gruseligen, wenngleich inspirierenden Abend perfekt.

Wusstet Ihr eigentlich, dass das wohl mein letzter Blogeintrag dieses Jahres werden wird? Jedenfalls der letzte Bolognesischer Herkunft. Am 17. nämlich fliege ich für Weihnachten nach Hause und kehre dann erst am 7. Januar nach Epiphanie zurück. Nach einer (für mich) blamablen Lufthansa-Deutsche Bahn-Abstimmung nehme ich dann ab Frankfurt den Zug nach Leipzig, sodass ich am Abend des 17. eingetroffen sein sollte. Ach, da erwarten mich so viele Dinge (Geburtstage, Klassentreffen, Weihnachtsfeste, Jahreswechsel...), aber die sind nicht genuin Gegenstand meines Bologna-Blogs. Und deswegen werdet Ihr davon auch nicht so viel hierüber erfahren.
Vielmehr wird der nächste Eintrag anno 2010 dann die Dinge aufgreifen, die wir uns noch für die kommende Woche vorgenommen haben. So planen wir unbedingt noch einen Opernbesuch in Puccinis Madama Butterfly, nachdem unser letzter Aufenthalt im Rahmen von "Giselle" ausgesprochen gefällig, regelrecht beeindruckend war. Selbst das Bologneser Teatro trumpft nämlich mit herrlichen Logen auf, von denen aus das Lauschen zu noch mehr Faszination erstarkt. Ob wir es dann auch noch geschafft haben werden, das Wintermotiv in Cinque Terre einzufangen, werden Zeit und Gelegenheit entscheiden. Dieser glänzende Küstenabschnitt in Ligurien ist davon unabhängig zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert.

Und so will, muss ich Euch, auch und gerade eingedenk der späten Stunde, mit den Gedanken an Italien allein lassen – immer hoffend, sie zu positiven machen zu können...

Samstag, 21. November 2009

Bilderschau

Hallo Ihr Lieben,

hier die bisher schönsten Fotos meines Italien-Aufenthalts, geformt als öffentlich zugängliche Links. Ihr könnt sie auch anschauen, ohne bei facebook angemeldet oder Mitglied zu sein. Gebt die Links hilfsweise einfach in die Browserzeile ein.

- Ballettabend in der Oper: http://www.facebook.com/album.php?aid=2042995&id=1255172030&l=26ced5caa4

- Venedig und Biennale: http://www.facebook.com/album.php?aid=2042991&id=1255172030&l=14f0844a48

- Steilgehen: http://www.facebook.com/album.php?aid=2038077&id=1255172030&l=23713d6e56

- Ferrara: http://www.facebook.com/album.php?aid=2037357&id=1255172030&l=9f1f88bbb7

- Parma: http://www.facebook.com/album.php?aid=2036677&id=1255172030&l=af90f4d859

Donnerstag, 19. November 2009

Cinematografisch rundumgeschaut...

Im Bett sitz ich grad, das heißt, eigentlich liege ich. Mein Blick durchs Fenster führt mich erhabenerweise (und gewiss zurecht!) auf die Due Torri, das Wahrzeichen Bolognas. Der Himmel ist wie die letzten Tage eigentlich immer eher rubin als schwarz, sepiaverschleiert gewissermaßen. Und es ist ungemütlicher geworden. Die warmen Tage sind vorbei, ein Schal ist treuer Begleiter. Dabei habe ich jetzt den echten Kaschmir-Wolle-Unterschied kennengelernt, weil der von mir neugekaufte Schal meinen alten zwar farblich übertrifft (in der Tat froschgrün), aber hanebüchen fuzzelt. Soll das das Schicksal von alimentierten Studenten sein? Aber ich will nicht klagen, dafür ist die Sache nicht zu ernst, sondern eher zu lächerlich dekadent. Kurzum: Es nieselt des Öfteren, die Temperaturen sind zwar noch angenehmer als aus deutschen Landen berichtet, aber im Ergebnis freilich herbstlich.

Ihr fragt Euch, was das alles mit Kino und Film zu tun hat, worauf ja mein Arbeitstitel hinweist? Nichts. Dazu komm ich ja noch. Vielleicht gar schon jetzt. Gerade nämlich sah ich – Zattoo und nun endlich intaktem Internet sei Dank – eine Reportage über Tannöd, diesen ominösen Mord aus den 20er Jahren auf einem bayerischen Bauernhof, worüber in diesen Tagen ein Film anlaufen wird. Und da ich frohlockend verkünd(ig)en (welche der beiden Varianten richtig ist, bleibt str., vgl. dazu Ekkehart Reimer in: Staatsrecht I, Heidelberg 2007) darf, nächste Woche an den herrlichen Neckar zu reisen, meine Heimatuni wiederzutreffen, die Landschaft zu sehen, von ihr bezaubert zu werden und zu sein, wird sich vielleicht gar eine Gelegenheit zum Kinobesuch anbieten.
Überhaupt sind Filme momentan gar nicht mal uninteressant für mich. Und zwar sogar in universitärer Hinsicht. Und so komm ich schon zu meinen Unierlebnissen. Lasst mich zeitnah beginnen. Da gibt es jetzt eine Vorlesung, die letzte Woche begann und einzig und allein Thomas Manns "Der Tod in Venedig" zum Inhalt hat. Nach, das soll heißen schon während unserer Venedig-Reise kam die Idee, die Veranstaltung doch eigentlich besuchen zu können. Bei mir wird das nicht auf Dauer klappen, weil mich die Anwesenheitsappelli teils daran hindern. Aber nun war ich schon ein paar Male dort, und es ist fürwahr sehr speziell. Sehr beeindruckend der Professore, ein gesetzter Herr, konfus im Phänotyp wie im Gange, charmant gleichwohl, und mit einer großen Portion Spaß an der Sache dabei. Unserer Hanseatin Hellen erzählte er erfreut, auch eine Zeitlang in Hamburg gelebt zu haben. Wie ich "herausfinden" konnte, war das Ende der sechziger Jahre. Der Professore wohnte, wie er erzählte, wirklich bei der Mutter von Wolfgang Borchert, dessen Gesamtwerk er justamente dort ins Italienische übersetzte. Eine Ausgabe seines fertiggestellten Werks weist der Nachlass Borcherts gar auf. Wie klein und interessant die Welt doch ist. Und im Rahmen einer der ersten Vorlesungsstunden schauten wir – um den Bogen zurückzuspannen – Viscontis Verfilmung zu Manns Werk, die ich seinerzeit in meinem Oberstufenreferat nicht habe ausfindig machen können. Und so beeindruckt nicht nur das italienische Venedig, und auch nicht nur der deutsche Schriftsteller, beides für sich gesehen von Weltruhm, sondern auch und insbesondere die Synthese zwischen ihnen, die mir klarwerden ließ, dass es wirklich toll ist, hier studieren zu können und es überflüssig wird, daneben heute noch universitäre Alltäglichkeiten anzuschneiden.

Neben jenen mehr oder (wie diesmal) weniger juristischen Exkursen nun zurück zum wahren Leben – und damit zwangsläufig und richtigerweise zum Essen. Kulinarisches steht bei uns ja immer an vorderer Stelle, und dass man hier fürstlich zu speisen vermag, bedarf keiner weiteren Affirmation: Denkt nur an meine Schilderungen der letzten Male. Und so haben wir, Max und ich, heute Abend ein leckeres Risotto gezaubert, und so werden wir dank der genialen Idee und Initiative aus Charlottes Elternhaus am Freitag auch herrlichen deutschen Grünkohl mit Mettwürstchen verspeisen und uns ausnahmsweise mal der Italoküche widersetzen. Ach ja, und letzten Sonntag haben wir dann deutsches Brauchtum (Tatort-Abend) mit italienischer "Küche" (Pizza; aber ich habe den Teig mit meiner eigenen Hände Arbeit auf dem Holzbrett ausgerollt!) melangiert und mordslüstern Sprizz, Rotwein und Bier konsumiert. Uns fehlt es also insofern an nichts.
Bis zu meiner Heidelberg-Reise, wo ich sehr hoffentlich schon vom Vorweihnachtscharme beglückt werde, gilt es auch hier, noch gute Angebote auszunützen. Morgen gehen wir erst einmal ins Ballett, "Giselle" läuft, man darf gespannt sein, ob und wie die Umsetzung gelingt.

Meine hier war gewiss etwas kurz, aber zeigt das auf, was wichtig war in den letzten Tagen und Wochen. Halb zwei Uhr nachts nun, und der Geschirrspüler will noch ausgeräumt werden. Aah, ich höre Max. Die letzten Risottoreminiszenzen sollten somit auch bald passé sein. Seid also gut auf das nächste Mal vertröstet.

Sonntag, 25. Oktober 2009

Zitterpartien und Sonnenschein

Ein Sonntag, wie er im Buche steht und doch auch einer, der so nicht oft vorkommt. Der Tag hat heut 25 Stunden, und reizt mich daher, die Stunde des Überflusses darauf zu verwenden, hier in die Tasten zu hauen. Wobei ich am Anfang des Schreibens grad gedanklich eingestehen muss, dass es wohl gar nicht eine ganze Stunde dauern wird. Vermutlich ist in den letzten zwei Wochen einfach nicht dermaßen viel geschehen, wahrscheinlich spielt sich alles immer mehr ein, gewiss gab es dennoch Novitäten. Es wird bereits jetzt irgendwie dunkel, und meine Hemden im Wäschekorb zürnen herum, ich solle mich doch eher denen als Euch widmen. Aber der denkende Mensch ändert seine Meinung und ich schiebe den Korb hinfort und lege also los.

Ende Oktober ist's nun und allmählich wird wohl auch jeder von Euch nördlich der Alpen mit der Uni begonnen haben. Die Menschen im Käseland studierten schon weit vor mir, die Menschen bei Heidi etwa zeitgleich, die in Britannien (wie unser lieber Prof. Müller-Graff immer zu formulieren weiß; ja, er glaubt noch an Asterix!) ohnehin und unentwegt – und auch im Pizza-Pasta-Paradies sondiert es sich piano piano.
Man soll es nicht glauben, aber ich habe mich sortiert. Neben den letztens zerrissenen Vorlesungen waren wir dann noch einmal in Römischer Rechtsgeschichte, was vielleicht eine Erwähnung wert ist. Durchaus hübsch in einem Hörsaal (Sälchen träfe es besser) unter den Arkaden des Palazzos der Jurafakultät. Aber damit auch genug des Lobs. Die Professoressa schien uns das römische Reich selbst noch miterlebt zu haben. Non sto scherzando! Sie war jedenfalls älter als 70, sollte auch älter als 75 gewesen sein, konnte nach eigenem Bekunden nicht länger als zehn Minuten stehen und erzählte kunterbunt und durcheinander vom römischen Recht und nebenher nette Geschichtchen zum Wachwerden. Aber nicht für uns, weil derart unsystematische Sachen in einer Fremdsprache einfach nur gruselig sein können und mich in die Flucht trieben. Kurzum, die neuen Errungenschaften entbehren römischrechtlicher Tradition.
Meine akademische Woche fordert IPR, Rechtsmedizin und einen so gar nicht akademischen Sprachkurs, der nun aber zu Ende gegangen ist. Der Rest tritt sechsstündig auf, und ich staune, was es da so alles zu behandeln gibt. Im IPR (für die wenigen tollkühnen Nichtjuristen unter Euch, das ist das italienische Internationale Privatrecht) geht's verhältnismäßig unitalienisch zu. Anwesenheitspflicht, raue Rügen einer etwas unterdimensionierten Professoressa, die sich ab und an mit einem gerade einmal 27jährigen Anwalt abwechselt, Arbeit mit Gesetzestexten und viel Klarheit kommen da vor. Chapot! Aber da gibt es dann auch noch die Stunden im rechtsmedizinischen Institut, einem halbrunden Hörsaal medizinischer Couleur, einer nikotinsüchtigen weißkitteligen Signora, dank der die frühen Morgenstunden eigentlich recht anschaulich und interessant verlaufen. Aber Professor Matterns Leichenschau bleibt wohl im Verborgenen; da sind die Italiener prüde. Apropos: Heute Abend läuft der Münsteraner Tatort und Prof. Boerne wird wieder einmal zu Recht halb Deutschland vor den Fernsehschirm holen. Das sollte ich möglichst nicht vergessen, überträgt die ARD das doch leider nicht in ihre sonst ganz aparte Mediathek. Tja, und der dritte im Bunde, mein CILTA-Sprachkurs ist nun nach knappen zwei Monaten auch vorbei. Wir haben viel gelernt, nämlich viel zum Lachen.

Das durchaus und bestimmt auch außerhalb der Unimauern. Obschon es zeitweise entschieden kälter geworden war, ich mit meiner eigenen Hände Arbeit die Heizung habe anstellen müssen und zwischendrin sogar Schal und Mantel dem Kleiderschrank entborgen musste. Max, der weiterhin kein Maximilian ist, empfängt gerade Besuch aus vorhin erwähntem Käseland. Vorgestern dann bevölkerten 23 Leute unseren Salon zum Crêpe-Büffet, und selbst das haben wir überlebt. War sogar richtig interessant. Meine Vormalsmitbewohnerin Chloée kam zu ihrem letzten Besuch hierher, reist sie doch heute zurück nach Paris.
Gestern haben wir eine kleine (oder besser größere) Reise nach Venedig unternommen. Mit dem Zug in zwei Stunden bequem und wohlfeil erreichbar, wurden wir für unsere relative Spontaneität gut, sogar großzügig belohnt. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, Wetter zum Jackeausziehen und Pullover- und Hemdsärmelhochschieben. Ja, die Sonnenbrille lag zu Hause. Aber hart in der Sache haben wir auch das meistern können. Eine Freundin schlug vor, auf die 53. Biennale, dieser wundervollen Internationalen Kunstausstellung, zu gehen und wir planten den Tag dafür ein. Zunächst aber ein ausgiebiger Stadtspaziergang, die Gassen entlang, auch abseits der Touristenwege, Pâtisserien, die hier Panifici heißen, mitnehmend ging es dann Richtung San Marco und schließlich am Meer entlang in die Giardini der Biennale. Ausgesprochen aufreizende Kunst wurde präsentiert und lohnt jeden Besuch dorthin. Am Abend, den Sonnenuntergang am Lido und Thomas Manns Buch eingeatmet, ging es schließlich nicht nach Hause, nein. Wir suchten zielgerecht nach urigen Osterien etwas abseits des Mainstreams und aßen wundervolle italienische Pilz- und Wurstspezialitäten, die Dolci fehlten nicht, tranken Wein, Sprizz und das ganze Programm. Sehr gelungen, sehr angenehm, geradezu neidvoll schön war der Tag. Und so trieb es uns gegen Mitternacht zurück zum Bahnhof, um den skurrilen Nachtzug, der Venedig-Neapel fuhr, noch zu bekommen und schließlich irgendwann nachts ziemlich müde Bologna zu erreichen. Wohl eine der allerletzten wirklich spätsommerlichen Erfahrungen.

Nun, meine Lieben. Die Zeit drängt, die Hemden raunen immer noch, hinzugesellt haben sich widerspenstige Wollpullover, die demnächst wieder die Tagespolitik mitbestimmen. Und um nicht nachher wohl noch den Termin zum Essen zu verpassen, sollt ich mich also jetzt ans Werk begeben. Dieses hier jedenfalls ist für heute vollendet.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Auf ein Neues - Bologna beinahe begnadet

Es ist Montag, ich sitze im Bett, esse eine Schale gescheites Müsli, dazu blaue Parmalat-Milch – und habe dem plötzlich aufkommenden Willen, neueste Erlebnisse niederzuschreiben, nicht absagen wollen. Überhaupt ist es hier grad saubequem, schaute ich doch eben den gestrigen Tatort, höre nebenher ganz leise aus der Ferne eine Verdi-Oper, irgendeine Arie, woher sie auch immer kommen mag. Verdi aus der Nähe, die Aufzeichnung vielleicht aus dem Appartement etwas tiefer. Dem mit dem besonders schicken Interieur. Jetzt verstummte der Sopran, ja, ich glaube, es war Sopran. Die Milch ist übrigens nicht wirklich blau, aber Parmalat (ja, das ist die Firma, von der Niki Lauda immer diese furchtbare rote Kappe getragen hatte) färbt die Milchflaschen in dieser Farbe ein. Es gibt hier an die zehn Sorten Milch – aber die blaue ist die beste, glaubt es mir.

Die letzten Tage, ich vermute, es waren wieder einige, vergingen sehr rasch. Überhaupt rennt die Zeit nur so vor sich hin. Es ist Mitte Oktober, und ja, ich bin nun schon anderthalb Monate hier. Indes wird es nicht langweilig, wie Langweiler unter Euch vielleicht vermuten würden. Eigentlich gibt es ja auch gar keine Langweiler unter Euch, aber wer weiß, wer hier alles noch so Stalkerallüren verfallend herumliest. Nein, langweilig ist es beileibe nicht. Die letzten zwei Wochen sind Zeugen vieler Neuigkeiten geworden.

Ad eins, l'università. Mein unbeschreiblich großes Taktgefühl gebietet es mir, an erster Stelle die Uni zu erwähnen. Ja, das ist in der Tat ein Abenteuer. Wenn Heidelberg "Elite. Seit 1386" für sich proklamiert, könnte Bologna ja per se qua älteste Uni der Welt noch dicker auftrumpfen. Tut es aber nicht. Das liegt daran, dass der Unibetrieb jeder Perfektion oder annähernder Elitesse spottet. Ihr könnt es Euch wirklich nicht vorstellen. Dass die Uni niemanden interessiert, erwähnte ich ja schon des Öfteren. Aber auch Herangehensweise, Didaktik und Selbstverständnis im Studium sind gruselig. Glaubt nicht, dass man hier Gesetzestexte verwenden darf. Aber man muss den Inhalt der Gesetze auch nicht kennen. Systematik – verlangt hier niemand. Man muss nur das wissen, was der Professor "vorliest" (sic!). Im italienischen Jurastudium gibt es keine Fallbearbeitung und keine wirkliche Studententeilhabe. Es gibt auch keine Gesetzessammlungen so wirklich, weil die Gesetze ja jederzeit nach Gusto geändert werden und noch nicht einmal Namen (und denklogisch auch keine Abkürzungen) tragen. Gesetze haben Nummern. Das tut doch weh, Leute. Nun ja, heut morgen war ich in der IPR-Vorlesung, einer der wenigen, die mir bislang wirklich gefallen haben. Ist aber für gewöhnlich auch erst fürs fünfte akademische Jahr geplant; viel wichtiger ist freilich Seehandelsrecht, das sechsstündig auftritt. Häfen entdeckte ich indes noch nicht. Höchstens Häfen der Trauer, wie wenig Tradition doch sowohl von Uni- als auch von Studentenseite erkannt und gelebt wird. Stellt Euch also einfach Heidelberg vor, setzt eine Klammer drum und schreibt ein hoch minus eins dahinter. Und wie es so oft ist, zählt der erste Eindruck. Vertan.
Aber lustig ist es natürlich schon alles. Allein die Kommilitonen und Professoren sind schon zum Teil wirklich beschmunzelnswert. In Norditalien sind alle Menschen grds. schick, außer zwei Drittel der Studenten und die meisten Professoren. Heut war ich im Völkerrecht und eigentlich hätte ich diese krude, wüste, gruselige Sakko-Jeans-Turnschuh-Kombination des professore wirklich irgendwie fotografieren müssen. Da lob ich mir doch unsere Ebke-Riege. Im Ergebnis ist es ja auch nicht so wichtig, wie das hier mit der Uni läuft, liegt doch eine Erasmuszeit an. Deswegen schon viel zu viel der Worte hierüber; lasst mich weitergehen.

Ad zwei, die freizeitlichen Amüsements und Wandelungen. Ich habe einen neuen Mitbewohner, den Max. Nicht Maximilian. Franzose, der Vater Frankokanadier, und er irgendwie Frankoamerikaner. Eine Erfrischung, die willkommener nicht sein konnte. Grundsympathisch, ordentlich und humorvoll, nicht nervig und gleichzeitig interessant. Aber nicht nur er. Das ist auch ein Freund von ihm, der des Öfteren bei uns zu Besuch kommt – ein Amerikaner. Aber er mutet so gar nicht amerikanisch an; nein, auf mich ist es die bebilderte Reinkarnation eines Walter Faber, dieses 50er-Jahre-Stils mit Panamahut und toller Brille, mit Hosenträgern und coolen Hemden. Wirklich faszinierend, was ihn antrieb, diesen Lebenswandel ja einmal irgendwann durchzuführen. Wer Schlöndorffs Verfilmung zu "Homo faber" sah oder gerade herausgekramt hat – justamente das ist er. Und so ist unsere WG belebt und freilich auch in hinreichendem Maß distinguiert. Alles andere wär für mich auch eine Katastrophe. Wir sind am Pizzabacken, am Ragoutkochen und sonstiger Zutatenverschleuderei auf höchstem Niveau. :)
Aber auch außerhalb unseres Palazzo verfällt Bologna nicht in Herbstdepression oder Winterstarre. Es gibt so furchtbar wenig Grün hier, das ist wahr. Und mir fehlen die Berge, der Königstuhl, der Heiligenberg, all das Blattgrün, das Gold des Herbstes, der Nebel über dem Neckar und der Stadt, wenn ich früh, sehr früh irgendwohin geradelt war. Dieses romantische Motiv unseres schönen Heidelbergs – das gibt es hier nicht. Sommerausläufer (ja, bis gestern hatte es noch unentwegt 25 Grad und man konnte ohne Weiteres mit umgeschlungenem Pulli abends herumschlendern) dauern fort, die Leute essen Eis und tragen ihre Sonnenbrillen, ganz egal wie trüb es vielleicht auch kurzzeitig ist. Das steckt übrigens an – selbst im Treppenhaus hab ich es mir schon angewöhnt. So trotzen wir dem Zustand der Stadt in der kalten Jahreszeit, den ich mir auch gar nicht richtig vorzustellen vermag, fehlt ihr dazu doch eben diese Romantik, um Schönheit beizubehalten. Warten wir's ab. Unterdessen zelebrieren wir regelmäßig einen Aperitivo, trinken Sprizz tagein, tagaus, ab und an wie jüngst sogar echtes Bier, also deutsches Bier, also bayerisches Bier, also Erdinger. Und das, obwohl und selbst wenn die Damen der Schöpfung in der Mehrheit sind. Und wir kochen zusammen, neulich erst erstklassiges Risotto mit viel schönem Parmigiano. In der letzten Woche dann machten einige von uns einen, soll heißen den groß organisierten Ausflug nach Süditalien. Sie schauten sich Neapel, Pompeji, den Vesuv und nicht zuletzt – wie wunderschön – Capri an, sodass man hat neidisch werden können. Aber Neid ist was für Ideenlose. Weil ich ja für zwei Semester hier weile, plane ich erwartungsvoll, im Frühjahr, im Sommer, wenn sich Italien von seiner reizvoll-mondänen und schönsten Seite zeigt, diese Reise ohne allzu enges Zeitfenster nachzuholen. Flüge, ja, die gibt es auch dorthin, meine Lieben. Statistisch gesehen hinkt Ihr besuchtstechnisch sogar ein ganzes Stück hinterher, weil bislang niemand von Euch dagewesen ist, während ansonsten ganz viele noch die letzten schönen Sonnenstrahlen haben genießen wollen. Dass die Stadt sich auch jetzt noch von ihrer besten Seite präsentiert, stimmt glücklich. Vor Kurzem erst ein atemberaubendes Feuerwerk, das ich in dieser Größe und Länge eigentlich noch nicht gesehen hatte. Mitten auf der Piazza Maggiore fand es statt, von überallher, selbst von den Dächern der benachbarten Palazzi ab starteten die buntesten Farben, die tollsten Lichterspiele, das lauteste Grollen. Alles dann untermalt von klassischer Musik, gekrönt selbstverständlich von Händels Feuerwerksmusik. Zurecht. Tja, und so können wir den Stadtneulingen, die noch mehr Neuling als wir sind, ganz vieles, ganz Feines, ganz Tolles zeigen. Ein Vergnügen, das mir das erste Mal noch und bald bevorsteht – wie ich mich doch freue!

Und so sehe ich, ad drei, einer glänzenden Zeit entgegen, von der zu berichten es mir riesige Freude machen wird. Wir aber hören, sehen, lesen uns schon in vielleicht zwei Wochen wieder. Mein Fenster steht sperrangelweit offen, ein nunmehr kühleres Lüftchen weht über die Tastatur, meine Finger werden lahmer und ich befinde nun aufzuhören. Nur iTunes scheint das nicht zu interessieren, spielt es doch grad trotzig einen Italo-Sommerhit. Na, das können Zeiten werden...

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