Zitterpartien und Sonnenschein
Ein Sonntag, wie er im Buche steht und doch auch einer, der so nicht oft vorkommt. Der Tag hat heut 25 Stunden, und reizt mich daher, die Stunde des Überflusses darauf zu verwenden, hier in die Tasten zu hauen. Wobei ich am Anfang des Schreibens grad gedanklich eingestehen muss, dass es wohl gar nicht eine ganze Stunde dauern wird. Vermutlich ist in den letzten zwei Wochen einfach nicht dermaßen viel geschehen, wahrscheinlich spielt sich alles immer mehr ein, gewiss gab es dennoch Novitäten. Es wird bereits jetzt irgendwie dunkel, und meine Hemden im Wäschekorb zürnen herum, ich solle mich doch eher denen als Euch widmen. Aber der denkende Mensch ändert seine Meinung und ich schiebe den Korb hinfort und lege also los.
Ende Oktober ist's nun und allmählich wird wohl auch jeder von Euch nördlich der Alpen mit der Uni begonnen haben. Die Menschen im Käseland studierten schon weit vor mir, die Menschen bei Heidi etwa zeitgleich, die in Britannien (wie unser lieber Prof. Müller-Graff immer zu formulieren weiß; ja, er glaubt noch an Asterix!) ohnehin und unentwegt – und auch im Pizza-Pasta-Paradies sondiert es sich piano piano.
Man soll es nicht glauben, aber ich habe mich sortiert. Neben den letztens zerrissenen Vorlesungen waren wir dann noch einmal in Römischer Rechtsgeschichte, was vielleicht eine Erwähnung wert ist. Durchaus hübsch in einem Hörsaal (Sälchen träfe es besser) unter den Arkaden des Palazzos der Jurafakultät. Aber damit auch genug des Lobs. Die Professoressa schien uns das römische Reich selbst noch miterlebt zu haben. Non sto scherzando! Sie war jedenfalls älter als 70, sollte auch älter als 75 gewesen sein, konnte nach eigenem Bekunden nicht länger als zehn Minuten stehen und erzählte kunterbunt und durcheinander vom römischen Recht und nebenher nette Geschichtchen zum Wachwerden. Aber nicht für uns, weil derart unsystematische Sachen in einer Fremdsprache einfach nur gruselig sein können und mich in die Flucht trieben. Kurzum, die neuen Errungenschaften entbehren römischrechtlicher Tradition.
Meine akademische Woche fordert IPR, Rechtsmedizin und einen so gar nicht akademischen Sprachkurs, der nun aber zu Ende gegangen ist. Der Rest tritt sechsstündig auf, und ich staune, was es da so alles zu behandeln gibt. Im IPR (für die wenigen tollkühnen Nichtjuristen unter Euch, das ist das italienische Internationale Privatrecht) geht's verhältnismäßig unitalienisch zu. Anwesenheitspflicht, raue Rügen einer etwas unterdimensionierten Professoressa, die sich ab und an mit einem gerade einmal 27jährigen Anwalt abwechselt, Arbeit mit Gesetzestexten und viel Klarheit kommen da vor. Chapot! Aber da gibt es dann auch noch die Stunden im rechtsmedizinischen Institut, einem halbrunden Hörsaal medizinischer Couleur, einer nikotinsüchtigen weißkitteligen Signora, dank der die frühen Morgenstunden eigentlich recht anschaulich und interessant verlaufen. Aber Professor Matterns Leichenschau bleibt wohl im Verborgenen; da sind die Italiener prüde. Apropos: Heute Abend läuft der Münsteraner Tatort und Prof. Boerne wird wieder einmal zu Recht halb Deutschland vor den Fernsehschirm holen. Das sollte ich möglichst nicht vergessen, überträgt die ARD das doch leider nicht in ihre sonst ganz aparte Mediathek. Tja, und der dritte im Bunde, mein CILTA-Sprachkurs ist nun nach knappen zwei Monaten auch vorbei. Wir haben viel gelernt, nämlich viel zum Lachen.
Das durchaus und bestimmt auch außerhalb der Unimauern. Obschon es zeitweise entschieden kälter geworden war, ich mit meiner eigenen Hände Arbeit die Heizung habe anstellen müssen und zwischendrin sogar Schal und Mantel dem Kleiderschrank entborgen musste. Max, der weiterhin kein Maximilian ist, empfängt gerade Besuch aus vorhin erwähntem Käseland. Vorgestern dann bevölkerten 23 Leute unseren Salon zum Crêpe-Büffet, und selbst das haben wir überlebt. War sogar richtig interessant. Meine Vormalsmitbewohnerin Chloée kam zu ihrem letzten Besuch hierher, reist sie doch heute zurück nach Paris.
Gestern haben wir eine kleine (oder besser größere) Reise nach Venedig unternommen. Mit dem Zug in zwei Stunden bequem und wohlfeil erreichbar, wurden wir für unsere relative Spontaneität gut, sogar großzügig belohnt. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, Wetter zum Jackeausziehen und Pullover- und Hemdsärmelhochschieben. Ja, die Sonnenbrille lag zu Hause. Aber hart in der Sache haben wir auch das meistern können. Eine Freundin schlug vor, auf die 53. Biennale, dieser wundervollen Internationalen Kunstausstellung, zu gehen und wir planten den Tag dafür ein. Zunächst aber ein ausgiebiger Stadtspaziergang, die Gassen entlang, auch abseits der Touristenwege, Pâtisserien, die hier Panifici heißen, mitnehmend ging es dann Richtung San Marco und schließlich am Meer entlang in die Giardini der Biennale. Ausgesprochen aufreizende Kunst wurde präsentiert und lohnt jeden Besuch dorthin. Am Abend, den Sonnenuntergang am Lido und Thomas Manns Buch eingeatmet, ging es schließlich nicht nach Hause, nein. Wir suchten zielgerecht nach urigen Osterien etwas abseits des Mainstreams und aßen wundervolle italienische Pilz- und Wurstspezialitäten, die Dolci fehlten nicht, tranken Wein, Sprizz und das ganze Programm. Sehr gelungen, sehr angenehm, geradezu neidvoll schön war der Tag. Und so trieb es uns gegen Mitternacht zurück zum Bahnhof, um den skurrilen Nachtzug, der Venedig-Neapel fuhr, noch zu bekommen und schließlich irgendwann nachts ziemlich müde Bologna zu erreichen. Wohl eine der allerletzten wirklich spätsommerlichen Erfahrungen.
Nun, meine Lieben. Die Zeit drängt, die Hemden raunen immer noch, hinzugesellt haben sich widerspenstige Wollpullover, die demnächst wieder die Tagespolitik mitbestimmen. Und um nicht nachher wohl noch den Termin zum Essen zu verpassen, sollt ich mich also jetzt ans Werk begeben. Dieses hier jedenfalls ist für heute vollendet.
  
  Ende Oktober ist's nun und allmählich wird wohl auch jeder von Euch nördlich der Alpen mit der Uni begonnen haben. Die Menschen im Käseland studierten schon weit vor mir, die Menschen bei Heidi etwa zeitgleich, die in Britannien (wie unser lieber Prof. Müller-Graff immer zu formulieren weiß; ja, er glaubt noch an Asterix!) ohnehin und unentwegt – und auch im Pizza-Pasta-Paradies sondiert es sich piano piano.
Man soll es nicht glauben, aber ich habe mich sortiert. Neben den letztens zerrissenen Vorlesungen waren wir dann noch einmal in Römischer Rechtsgeschichte, was vielleicht eine Erwähnung wert ist. Durchaus hübsch in einem Hörsaal (Sälchen träfe es besser) unter den Arkaden des Palazzos der Jurafakultät. Aber damit auch genug des Lobs. Die Professoressa schien uns das römische Reich selbst noch miterlebt zu haben. Non sto scherzando! Sie war jedenfalls älter als 70, sollte auch älter als 75 gewesen sein, konnte nach eigenem Bekunden nicht länger als zehn Minuten stehen und erzählte kunterbunt und durcheinander vom römischen Recht und nebenher nette Geschichtchen zum Wachwerden. Aber nicht für uns, weil derart unsystematische Sachen in einer Fremdsprache einfach nur gruselig sein können und mich in die Flucht trieben. Kurzum, die neuen Errungenschaften entbehren römischrechtlicher Tradition.
Meine akademische Woche fordert IPR, Rechtsmedizin und einen so gar nicht akademischen Sprachkurs, der nun aber zu Ende gegangen ist. Der Rest tritt sechsstündig auf, und ich staune, was es da so alles zu behandeln gibt. Im IPR (für die wenigen tollkühnen Nichtjuristen unter Euch, das ist das italienische Internationale Privatrecht) geht's verhältnismäßig unitalienisch zu. Anwesenheitspflicht, raue Rügen einer etwas unterdimensionierten Professoressa, die sich ab und an mit einem gerade einmal 27jährigen Anwalt abwechselt, Arbeit mit Gesetzestexten und viel Klarheit kommen da vor. Chapot! Aber da gibt es dann auch noch die Stunden im rechtsmedizinischen Institut, einem halbrunden Hörsaal medizinischer Couleur, einer nikotinsüchtigen weißkitteligen Signora, dank der die frühen Morgenstunden eigentlich recht anschaulich und interessant verlaufen. Aber Professor Matterns Leichenschau bleibt wohl im Verborgenen; da sind die Italiener prüde. Apropos: Heute Abend läuft der Münsteraner Tatort und Prof. Boerne wird wieder einmal zu Recht halb Deutschland vor den Fernsehschirm holen. Das sollte ich möglichst nicht vergessen, überträgt die ARD das doch leider nicht in ihre sonst ganz aparte Mediathek. Tja, und der dritte im Bunde, mein CILTA-Sprachkurs ist nun nach knappen zwei Monaten auch vorbei. Wir haben viel gelernt, nämlich viel zum Lachen.
Das durchaus und bestimmt auch außerhalb der Unimauern. Obschon es zeitweise entschieden kälter geworden war, ich mit meiner eigenen Hände Arbeit die Heizung habe anstellen müssen und zwischendrin sogar Schal und Mantel dem Kleiderschrank entborgen musste. Max, der weiterhin kein Maximilian ist, empfängt gerade Besuch aus vorhin erwähntem Käseland. Vorgestern dann bevölkerten 23 Leute unseren Salon zum Crêpe-Büffet, und selbst das haben wir überlebt. War sogar richtig interessant. Meine Vormalsmitbewohnerin Chloée kam zu ihrem letzten Besuch hierher, reist sie doch heute zurück nach Paris.
Gestern haben wir eine kleine (oder besser größere) Reise nach Venedig unternommen. Mit dem Zug in zwei Stunden bequem und wohlfeil erreichbar, wurden wir für unsere relative Spontaneität gut, sogar großzügig belohnt. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, Wetter zum Jackeausziehen und Pullover- und Hemdsärmelhochschieben. Ja, die Sonnenbrille lag zu Hause. Aber hart in der Sache haben wir auch das meistern können. Eine Freundin schlug vor, auf die 53. Biennale, dieser wundervollen Internationalen Kunstausstellung, zu gehen und wir planten den Tag dafür ein. Zunächst aber ein ausgiebiger Stadtspaziergang, die Gassen entlang, auch abseits der Touristenwege, Pâtisserien, die hier Panifici heißen, mitnehmend ging es dann Richtung San Marco und schließlich am Meer entlang in die Giardini der Biennale. Ausgesprochen aufreizende Kunst wurde präsentiert und lohnt jeden Besuch dorthin. Am Abend, den Sonnenuntergang am Lido und Thomas Manns Buch eingeatmet, ging es schließlich nicht nach Hause, nein. Wir suchten zielgerecht nach urigen Osterien etwas abseits des Mainstreams und aßen wundervolle italienische Pilz- und Wurstspezialitäten, die Dolci fehlten nicht, tranken Wein, Sprizz und das ganze Programm. Sehr gelungen, sehr angenehm, geradezu neidvoll schön war der Tag. Und so trieb es uns gegen Mitternacht zurück zum Bahnhof, um den skurrilen Nachtzug, der Venedig-Neapel fuhr, noch zu bekommen und schließlich irgendwann nachts ziemlich müde Bologna zu erreichen. Wohl eine der allerletzten wirklich spätsommerlichen Erfahrungen.
Nun, meine Lieben. Die Zeit drängt, die Hemden raunen immer noch, hinzugesellt haben sich widerspenstige Wollpullover, die demnächst wieder die Tagespolitik mitbestimmen. Und um nicht nachher wohl noch den Termin zum Essen zu verpassen, sollt ich mich also jetzt ans Werk begeben. Dieses hier jedenfalls ist für heute vollendet.
heideljura - 25. Okt, 17:37
  
  
 
      