Traktate, Titel und Tortellini
Antescriptum: Nachdem ich nun Monate lang kein Wort hierüber von mir habe hören lassen und ich dies zutiefst bedauere (wenn man einmal mit dem Nichtschreiben begonnen hat, ...), möchte ich Euch zum Abschluss meines Aufenthalts in Italien den Abschlussbericht zukommen lassen, der das gesamte Erasmus-Jahr rekapituliert. Mit diesem sei der Blog denn auch geschlossen, immer hoffend, die Beiträge des Verfassers haben die Leserschaft unterhalten und angeregt.
Die Fotoseite wurde auf den neuesten Stand gebracht. Viel Spaß mit allem!
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Zuallererst sei ein jeder, der mit dem Gedanken spielt, seinen Erasmus-Aufenthalt in Italien zu verbringen, in seiner Entscheidungsfindung bestärkt, weil dieses Jahr dermaßen viele gedankliche Reichtümer überbringt, dass es nicht nur schade, sondern desaströs wäre, von dem Gedanken abzulassen. Das italienische Rechtssystem mit seinen Verschiedenheiten und Tücken, seinen Umständlichkeiten, aber auch seiner Tradition wird begleitet von einem kaum anderswo erreichbarem kulturellen Schatz und der Gewissheit, das laissez-faire, das die Italiener verliebt dolce vita nennen, plastisch erleben zu dürfen. Wenn ich mich auch im Folgenden auf das Wesentliche zu beschränken versuche, stehe ich sehr gern allen Neugierigen per E-Mail zur Verfügung.
I. Vorbereitung
1. Sprache (Kenntnisse und Kurse)
Wer nach Italien geht, der liebt Italien. Und zu diesem außergewöhnlichen Land gehört seine melodische Sprache, deren Beherrschen während des Aufenthalts essentiell ist. Man braucht sich nichts vorzumachen: Kaum ein Italiener spricht Deutsch und Englisch beherrschen die meisten nur höchst fragwürdig. Ganz unabhängig davon, dass das Italienisch ohnehin die ästhetisch vorzugswürdige Option darstellt, sind Grundkenntnisse ebenso dringend wie nötig und können auf passablem Weg unter anderem beim Zentralen Sprachlabor der Universität Heidelberg durch vierstündige Basiskurse erlernt werden. Ein sehr effizientes Angebot stellen aber insbesondere die Sprachkurse vor Ort dar, die programmunabhängig (und leider oft, ohne dass man von ihnen weiß) in Perugia und Siena angeboten werden und authentisch in Land und Leute einführen.
In Bologna dann gibt es obendrein einen Sprachkurs vonseiten der sog. CILTA, einem dort ansässigen universitären Sprachlabor, dessen Belegung kostenfrei ist. Der Kurs findet im September statt, ein zweiter, der sehr oft wegen zu hoher Nachfrage angeboten wird, läuft dann vorlesungsbegleitend im November. Die Kurse sind sinnig, insbesondere weil man Leute kennenlernt und manch eingerostetes Wissen reaktivieren kann. Obendrein finden sich einige Privatsprachschulen in der Stadt, die kleine, teils sehr effiziente Kurse zu dann allerdings fürstlichen Preisen anbieten.
2. Zimmersuche
Am klügsten freilich ist es, zur Verbesserung der eigenen Sprachfähigkeiten mit Italienern zusammenzuwohnen. Das Finden einer schönen Wohnung, eines Zimmers im Allgemeinen ist unterdessen mindestens ein Gesellenstück. Die Bolognesen flüchten im August fast vollständig aus der Stadt, sodass eine vorherige Suche nur im Juli Sinn ergibt. Die Alternative wäre dann ein Ausschauhalten direkt im September, mit gewiss noch größerem Angebot, aber vielleicht zu viel Zeitdruck. Jedenfalls empfiehlt es sich, für diesen Zeitraum im Hotel und nach Möglichkeit auch sehr zentral zu wohnen. Für jeden Hotelaufenthalt in Bologna gilt die Regel, je zentrumsnäher, desto besser. Im Juli lohnt ein Besuch besonders, weil der größte Platz der Stadt, die imposante Piazza Maggiore vollständig bestuhlt wird, sodass gut vierzehnhundert Menschen Platz finden, um jeden Abend kostenfrei einen herrlichen Film zu schauen.
Für die eigentliche Wohnungssuche empfiehlt sich die Anmeldung bei den einschlägigen Portalen, vor allem easystanza. Auf Empfehlung hatte ich damals eine monatliche Premiummitgliedschaft gekauft, die mir gleich die Telefonnummern der Inserenten anzeigte. Man schalte dort ruhig auch ein gut formuliertes, aussagekräftiges Gesuch und warte auf Nachrichten. Über diesen Weg habe ich mein wunderschönes Zimmer in unserer Zweier-WG direkt an den Due Torri, dem Wahrzeichen der Stadt, erhalten. Sicherlich sei obendrein ein aufmerksamer Blick an die in der via Zamboni, der Studentenstraße, aufgeklebten Inserate angeregt. Und gleich die erste große Falle dort: Italiener lieben Titel und Superlative. Wie jeder bessere Student von der Bedienung in der Kneipe Dottore genannt wird, verbirgt sich hinter einem centralissimo gelegenen, lichtdurchfluteten Zimmer gern ein dunkles Loch fernab jeder Stadtmauer, innerhalb derer ich ein Wohnen unbedingt anrege.
Die Mietpreise sind auch für Heidelberger Studenten hoch, weil man oft 400 bis 550 Euro für ein Einzelzimmer in einer WG rechnen sollte. Einzimmerwohnungen, sog. monolocali, kosten 700 Euro und mehr, bringen obendrein nicht den gewünschten kulturellen Austausch. Wegen der hohen Preise (für oft nicht zufriedenstellenden Komfort) ist es durchaus üblich, sich ein Zimmer als doppia (Doppelzimmer) zu teilen. Deren Preise kursieren dann um etwa 300 Euro. Nebenkosten sind meist zusätzlich anfallend und wegen mehrfach fehlender Mietverträge teils willkürlich hoch. Man achte also sorgfältig auf den Vermieter. Nach einiger investierter Zeit wird man dann sein Domizil gefunden haben und womöglich noch über lustige italienische Mitbewohner staunen, von deren Gewohnheiten zu lernen täglich mehr zur Freude werden wird.
II. Ankunft
1. Behördengänge
Auf Dauer dann in Bologna angekommen, sind freilich ein paar Behördengänge zu erledigen. Zunächst sollte man zum International Office gehen und sich "anmelden". Hierfür genügt meiner Erinnerung nach das Mitbringen zweier Passfotos sowie des Personalausweises. Um langes Warten zu umgehen, ist es ratsam, sich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen und bereits eine halbe Stunde vor Beginn da zu sein. Der Vorgang selbst dauert nicht lang, das Personal ist sehr freundlich und spricht auch Englisch. Nach ein paar Tagen dann darf man wiederkommen und erhält seine Erasmusmappe inklusive Ausweis, Chipkarte und (relativ unnützem) Informationsmaterial. Die dort unterzeichnete certification of host university faxt man alsdann unverzüglich nach Deutschland, wobei die unzähligen copisterie dankbarer Anlaufpunkt sind.
Ebenfalls notwendig ist es mitunter, ein italienisches Bankkonto vorweisen zu können. Wer mit Kreditkarte im Ausland abhebt, umgeht das fürs Erste. Sofern man sich aber in irgendeiner Gelegenheit vertraglich binden möchte, ist es erforderlich, ein italienisches Konto aufzuweisen. Hierfür empfehle ich die Deutsche Bank Italia, die eine Filiale in der via Marconi hat und Studenten ein kostenloses Girokonto zur Verfügung stellt. Service wie Beratung sind ausgezeichnet und unkompliziert.
2. Handy
Es empfiehlt sich, in Bologna eine Prepaid-Karte zu kaufen, mit der man dann zu sehr günstigen Konditionen telefonieren kann. Die meisten Studenten nutzen das Netz Wind, sodass man untereinander für einen Zuschlag von sechs Euro monatlich grds. kostenlos telefoniert, Milliarden Frei-SMS inklusive.
3. Verkehrsmittel
Wer meiner Empfehlung folgt und unmittelbar ins centrocentro zieht, benötigt nur wenige Verkehrsmittel. Das Mitbringen oder gar Anschaffen eines Autos ist nicht ratsam, weil keine sicheren und gleichzeitig bezahlbaren Parkplätze zur Verfügung stehen; Innenstadtgaragen kosten monatlich gern dreistellige Summen. Sofern man für Reisen ein Auto benötigt, gibt es jede Menge Autovermietungen.
Bologna kann einen Flughafen aufweisen, der auch regelmäßige Verbindungen nach Deutschland kennt. So fliegen täglich mehrere Maschinen nach Frankfurt oder München (Lufthansa, oft gute Angebote für 100 Euro beide Wege), eine nach Köln/Bonn (Germanwings) und eine nach Hahn und Weeze (Ryanair), ebenfalls mit guten Angeboten. Auch für inneritalienische Flüge sind die Anbindungen sehr günstig. Gleichzeitig ist die Stadt Schienenknotenpunkt des italienischen Eisenbahnnetzes, sodass man geschwind und in aller Regel sehr günstig alle großen italienischen Städte erreicht. Stündlich verkehren Frecce, die zwar teureren, aber außerordentlich schnellen Züge, nach Süden (Rom, Neapel) und Norden (Mailand). Obendrein ist das Regionalverkehrsnetz weitaus stärker ausgebaut als in Deutschland, sodass sich auch mal eine Fahrt zu den Weihnachtsmärkten Südtirols anbietet.
Wer gleichwohl für Einkäufe ein Fahrrad im Innenhof stehen haben möchte, der sollte nach Möglichkeit vor Ort eins kaufen, um es dann zum Ende einfach zu verkaufen oder stehenzulassen. Die Diebstahlsquote an Fahrrädern ist überdurchschnittlich, sodass es sich insbesondere im Univiertel nicht empfiehlt, wunderschöne nostalgische Kunstwerke ins Stadtbild einzufügen zu versuchen.
4. Erasmusorganisationen
Gerade für den Anfang hilfreich sind die zwei großen Erasmusorganisationen (ESN und ESEG), die ein Programm für neue Auslandsstudenten anbieten, das von Reisen über Tandemangebote bis hin zu Abendprogrammen reicht. Wenngleich wir das Land lieber selbstorganisiert und außerhalb von Zeitplänen erkundet haben, bietet manches anberaumte Treffen gerade am Anfang Möglichkeit, einander genauer kennenzulernen. Die Teams sind in der Regel sehr freundlich und familiär organisiert. Ich rate indessen dazu, spätestens zum zweiten Semester auch mal selbst und ohne Zehnliterflaschen Alkohol die Umgebung zu bereisen.
III. Studium
1. Organisation und Ablauf
Wer in Italien studieren möchte, sollte von Beginn an eine offene, unvoreingenommene Haltung an den Tag legen. Vieles ist weniger engmaschig geregelt, manches einfach unergründliches Gewohnheitsrecht. Das Jurastudium ist vollkommen anders organisiert, als wir es hierzulande kennen. Die Studenten haben ein "3+2"-System, das die italienische Übersetzung für "Bologna-Prozess" sein soll. Einen Abschluss erhält derjenige, der eine gewisse Anzahl an Prüfungen, die immer am jeweiligen Semesterende abgehalten werden (dazu sogleich), besteht. Ein Endexamen in Form eines Staatsexamens kennt das italienische System nicht.
Die juristische Fakultät selbst ist eine merkwürdig-interessante Melange aus traditionalistischem Professorenkult und italienischer Coolness, der sich wiederum auch die Professoren anzunehmen schienen. Ein Professor taucht daher gern einmal sonnenbebrillt mit zwei Assistentinnen im Hörsaal auf, erntet tosenden Applaus, lässt sich befeiern und genießt im Anschluss daran ab Beginn seiner fachbezogenen Ausführungen (oft erst nach zwanzig Minuten oder mehr) absolute Ruhe und den Respekt seiner Studenten. Das macht die Vorlesungen sehr amüsant und abwechslungsreich.
Das Gebäude, ein uralter Palazzo mit wunderschönem Innenhof, befindet sich am Anfang der via Zamboni und beherbergt das Gros der Vorlesungsräume. Die Akustik leidet leider sehr oft an den hohen Räumen, sodass es nicht immer einfach ist, alles zu verstehen. Obendrein gibt es ein in der Nähe gelegenes Gebäude (via Belmeloro), in dem auch sehr große Hörsäle untergebracht sind und das sich alle Fakultäten teilen. Dort finden vor allem Veranstaltungen für die ersten Semester statt, weil deren Besucherzahl jede Kapazität der heiligen Hallen sprengt.
Es schadet gewiss nicht, sich in der Pause dem Professor als deutscher Gaststudent vorzustellen und ein bisschen zu plaudern, sodass sich ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Zwingend ist dieses mE aber nicht: Generell delegieren die Professoren überdurchschnittlich viel, sodass ein persönlicher Eindruck in den meisten Fällen zwar nicht schadet, aber leider auch oft belanglos im Raum steht. Vieles wird von den Assistenten organisiert, die den Gaststudenten aber allesamt sehr freundlich, aufgeschlossen und vor allem verständnisvoll begegnen.
Neben dem sog. Erasmus-Tutor existiert im Gebäude der juristischen Fakultät auch ein eigenes Erasmusbüro (ungleich International Office), das immer freitags um die Mittagszeit geöffnet ist und Anlaufstelle für Unterschriften und Hilfestellungen sein kann.
2. Kurswahl
Für die Kurswahl sollte man sich die großzügig zugestandene Zeit auch nehmen. Das Vorlesungsverzeichnis, das man vorab auf der Homepage der juristischen Fakultät einsehen kann, ist sehr groß, aber immer für ein gesamtes Akademisches Jahr (A.A.) konzipiert. Daraus folgt der (uns fremde) Schluss, dass man nicht erkennen kann, ob eine Vorlesung im Winter- oder Sommersemester angeboten wird. Das Verzeichnis wird daher ergänzt von den sog. orari delle lezioni, den Stundenplänen, die jeweils ab Semesterbeginn (wohl ab September) ebenfalls über die Seite der juristischen Fakultät einsehbar sind. Dort findet sich dann ein detaillierter Stundenplan, aufgeteilt nach den einzelnen Semestern. Gleiches gibt es bei besagtem Erasmusbüro in der Fakultät auch als Handreichung.
Ich empfehle, durchaus auch Vorlesungen in Betracht zu ziehen, die für fortgeschrittene Stundenten konzipiert sind, weil die Kurse kleiner und der Zugang zum Professor sowie insbesondere die Lernatmosphäre besser sind. Gerade manch Erstsemesterkurs, der teils viergleisig in Hörsälen mit gut besetzten 300 Studenten gelesen wird, ermüdet eher, als dass er Zugang zur Denk- und Arbeitsweise an einer italienischen Universität bringen kann.
Die Europa- und Völkerrechtskurse, die erst im Sommersemester angeboten werden, sind sehr hilfreich und intensiv. Es gibt nämlich die Regel, dass jeder Kurs, auch der des Seehandelsrechts, in sechs Semesterwochenstunden gelesen wird. Man sollte sich daher keinesfalls überfrachten, weil dann kein hinreichendes Verfolgen der Vorlesung mehr möglich ist. Ich rate dazu, italienischsprachige Kurse zu besuchen, weil das Englisch an der Universität leider oft nicht gut beherrscht wird und es doch auch interessant ist, die juristische Fachsprache Italiens ein bisschen näher kennenzulernen. Insbesondere kann ich Kurse von Professoressa Rossi (Wintersemester) und Professore Tanzi (Sommersemester) empfehlen, die genau und doch verständlich dozieren. Gerade in der ersten Woche sollte man viel hören, um schon ein Bild davon zu bekommen, was in die engere Auswahl gelangt. Erst nachdem all das geschehen ist, ist es sinnig, das Learning Agreement in endgültiger Fassung aufzustellen und unterschreiben zu lassen.
3. Prüfungen
Der italienische Prüfungsmythos weht durch die portici Bolognas, jene Bogengänge, die das Flanieren auch bei Regen zu einem Kinderspiel werden lassen... Mit esame meint der gemeine italienische Student eigentlich immer eine endsemestrige Prüfung, die zumeist mündlich abgenommen wird und irgendeine Punktzahl einbringt, die für ihn zum Ende seines Studiums vielleicht einmal interessant ist. Immer vorausgesetzt, ein neues Gesetz denkt sich das nicht anders. Und so kriechen Manie und Panik sehr leicht in die Köpfe, gerade in die der Gaststudenten.
Ich halte es für unerlässlich, sich zu vergegenwärtigen, worum es hier überhaupt geht. Nämlich um das pure Abfragen des Kursinhaltes eines Semesters. Dazu werden von den Professoren gewisse Traktate (manuali) empfohlen, die oft auch von ihnen herausgegeben werden und dadurch den Stoff schön systematisch am Vorlesungsablauf orientiert darstellen. Man tut gut daran, während der Vorlesung einfach immer begleitend das Buch zu lesen (Achtung, Bestellungen dauern in italienischen Buchhandlungen nicht einen Tag, sondern grds. eine Woche), was eine panische Prüfungsvorbereitungszeit vermeidet. Wenn man wie wir nicht gezwungen ist, viele Kurse zu besuchen, kann man es schaffen, das teils leider sehr anspruchsvolle Fachitalienisch zu meistern. Das von mir zu bearbeitende Völkerrechtslehrbuch umfasste 600 Seiten, die sich gewiss nicht wie 600 deutsche Seiten lasen. Das sollte man ebenfalls bei der Kurswahl mitbeachten.
Während des Kurses wird in der Regel irgendwann mitgeteilt, wann die Prüfungen stattfinden. Die Prüfungszeit schließt sich dabei immer an die Vorlesungszeit an. Zur Anmeldung ist eine Zusammenstellung des Studienplans im Onlineportal der Universität notwendig, die allerdings kinderleicht ist. Im Anschluss muss man sich dann noch mal für den jeweiligen Kurs, den man zuvor im Studienplan erfasst haben wollte, zum jeweils korrespondieren Prüfungstermin anmelden. Man erhält eine Bestätigung mit einer Prüfungsnummer und glaubt, alles sei hervorragend organisiert.
Die Realität lehrt uns das Gegenteil. Zum vorgemerkten Prüfungstermin erscheint man dann zu angegeben morgendlicher Uhrzeit. Alsdann sammelt ein Assistent des Lehrstuhls unter Aufrufen der Namen der online Angemeldeten die libretti (Studienbücher) ein, die bei Erasmusstudenten nur ein Blatt tabellarisches Papier sind. Mit diesem Haufen an Studienbüchern verschwindet er in den Prüfungsraum, einem Hörsaal, in dem vorn ein langer Tisch steht (analog Bundespressekonferenz), an dem wiederum die Prüfer Platz nehmen. Das sind je nach Kursgröße zwischen drei und fünf. Der riesige Berg Studienbücher wird dann willkürlich zwischen den Prüfern verteilt, sodass die vorab zugestandene Prüfungsnummer überhaupt keine Relevanz hat. Der Rest des Hörsaals ist indessen von allen wartenden Studenten gefüllt und die jeweiligen Prüfer rufen ihren Prüfling auf, der dann wie bei einem Beratungsgespräch vor ihnen Platz nimmt. Der Prüfer schaut in das zu lesende Lehrbuch, nennt ein Kapitel und der Student soll all das dazu erzählen, was er gelernt hat. Nach höchst unterschiedlicher Zeit bekommt man dann eine Punktzahl gesagt und geht zu dem Assistenten von vorhin, der die Zahl dann in den Computer eingibt. Dieser technische Vorgang ist nötig, damit die Prüfungsleistung "verbalisiert" wird und dann im Onlinestudienplan des jeweiligen Studenten auftaucht. Obendrein bekommt man – sicherheitshalber – sein Studienbuch mit dem jeweiligen Prüfungsergebnis ausgefüllt. Oft misslingen nämlich die Verbalisierungen, wenngleich sie die Modernität der Fakultät zu unterstreichen vorhatten.
Die Prüfer sind in aller Regel, zumal wenn es sich um Gaststudenten handelt, sehr nett und hilfsbereit, sodass man keine unnütze Angst haben muss. Allerdings ist es durchaus anstrengend, die ganze Zeit zu warten, bis irgendwann dann mal der eigene Name aufgerufen wird. Das dauert dank Mittagspause des Professors teils sechs Stunden, wie ich selbst erleben musste. Dann aber ist alles gut und man kann hoffentlich froh und zufrieden nach Hause gehen – oder eben flanieren.
IV. Freizeit
1. Reisen
Wie bereits oben erwähnt, ist Bologna in jeder Hinsicht Verkehrsknotenpunkt. Das bringt für den Studenten viele Vorteile, nicht zuletzt zum Reisen. Die Emilia-Romagna sollte durchaus auch erkundet werden, selbst wenn der Reiseführer sie mit wenigen Worten abtun möge. Parma lohnt besonders zum Schinkenfest im Herbst, Modena zum Besuch des Museums für den Balsamessig in Spilamberto, zu dem man abenteuerlich überland fahren muss, aber mit erstklassigem aceto balsamico tradizionale belohnt wird. Ravenna lohnt einen Ausflug wegen seiner famosen Kirchen und nicht zuletzt bietet das Meer Anreize zum Baden.
Venedig ist mit dem Zug ebenfalls sehr gut erreichbar und lohnt insbesondere als Paar mit Übernachtung. Florenz wie die gesamte Toskana liegen in guter Erreichbarkeit und könnten das Anmieten eines Autos rechtfertigen. So manches agriturismo in den Bergen zwischen Bologna und Florenz wartet mit Köstlichkeiten und tollem Ausblick regelrecht auf einen Besuch mit Übernachtung. Während des Jahres rate ich freilich auch unbedingt eine Romreise an, die mindestens drei Nächte umfassen sollte. Gerade im noch schönen Herbst oder im frühen Frühling sind die großen Städte wie Rom, Venedig oder Mailand nicht überfüllt und auch zentrale und schöne Hotels bezahlbar. Wir haben obendrein noch eine Reise nach Perugia und Assisi unternommen, die ich nur weiterempfehlen kann. Diese mittelalterlichen Stätten gehörten zu den schönsten Zielen meines Jahres.
Oberhalb von Mailand bietet das Piemont mit Turin tolle Anreize, einen richtig ausladenden aperitivo einzunehmen, der die Augen größer werden lässt. Von dort aus gleich weiter nach Ligurien ans Meer, entlang der cinqueterre über Portofino an die Riviera, dort dann ein Auto mieten und schließlich, was liegt näher?, kurz nach Südfrankreich herüber, in Nizza einen Chanson hören und die reizvolle Landschaft auskosten. Ein großes Vorhaben, das geplant sein will, aber in einer Kleingruppe bis vier Leute wunderschön und dauerhaft in Erinnerung bleiben wird. Von wo aus ginge all das besser als von Bologna!?
2. Bologna – la grassa
Bologna werden oft drei Eigenschaften nachgesagt. Sie sei la rossa, die Rote, entweder wegen ihrer roten Dächer oder (Alternativthese) des etwas linken Studentenlebens, das aber nur so alternativ ist, wie man es selbst möchte, bietet die Stadt doch gerade für alles und jeden genau das Richtige, um glücklich zu werden. Ferner sei sie la dotta, die Gelehrte wegen ihrer Universität, die als älteste europäische Universität verstanden wird.
Drittens schließlich nennt man sie la grassa, die Fette, und das aus einem nur allzu passenden Grund: der herausragenden Küche höchster Qualität. Die Emilia-Romagna, deren Hauptstadt Bologna ist, kann nämlich guten Gewissens das kulinarische Herz Italiens genannt werden. Aus der Region um Parma stammt der delikate luftgetrocknete Parmaschinken, ebenso wie der Parmigiano Reggiano, aus Modena kommt der teils exzellente aceto balsamico, und direkt bolognesisch ist die fleischige Pastasauce, die dort nur ragù genannt wird. Obendrein verbindet man mit Bologna die lasagne und jede Menge frischgemachte Pasta, vornan die tagliatelle und die tortellini. Das alles zusammen ist beste Voraussetzung für eine Küche der Träume, die man in der Stadt geboten bekommt. Wegen der relativ wenigen Touristen (Bologna hat keine gänzlich fußgängeraffine Innenstadt; ein Fluss fehlt obendrein) passt man sich nicht an fremdländische Gewohnheiten an – die Küche bleibt authentisch und hochwertig.
Und so wird des Gourmetstudenten Herz höher schlagen, wenn er durch die Schinkenstraßen läuft und hier und dort einkauft, mal ein Stück Kalb, mal Schinken, mal Käse, mal frische Artischocken, mal tollen Fisch, und dort wie jeder andere Bürger Bolognas hofiert wird. Und so läuft er nach Hause, die Tüten voll, legt einen Stop in der Caffè-Bar um die Ecke ein, trinkt einen Spritz, parliert dabei kurz mit dem Betreiber über den besten Prosecco, den man dafür nehmen sollte, grüßt zufrieden in den Abend, kehrt nach Haus zurück und kocht – unter dem durchschlagenden Gefühl, wirklich angekommen zu sein.
Bologna, Juli 2010
Die Fotoseite wurde auf den neuesten Stand gebracht. Viel Spaß mit allem!
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Zuallererst sei ein jeder, der mit dem Gedanken spielt, seinen Erasmus-Aufenthalt in Italien zu verbringen, in seiner Entscheidungsfindung bestärkt, weil dieses Jahr dermaßen viele gedankliche Reichtümer überbringt, dass es nicht nur schade, sondern desaströs wäre, von dem Gedanken abzulassen. Das italienische Rechtssystem mit seinen Verschiedenheiten und Tücken, seinen Umständlichkeiten, aber auch seiner Tradition wird begleitet von einem kaum anderswo erreichbarem kulturellen Schatz und der Gewissheit, das laissez-faire, das die Italiener verliebt dolce vita nennen, plastisch erleben zu dürfen. Wenn ich mich auch im Folgenden auf das Wesentliche zu beschränken versuche, stehe ich sehr gern allen Neugierigen per E-Mail zur Verfügung.
I. Vorbereitung
1. Sprache (Kenntnisse und Kurse)
Wer nach Italien geht, der liebt Italien. Und zu diesem außergewöhnlichen Land gehört seine melodische Sprache, deren Beherrschen während des Aufenthalts essentiell ist. Man braucht sich nichts vorzumachen: Kaum ein Italiener spricht Deutsch und Englisch beherrschen die meisten nur höchst fragwürdig. Ganz unabhängig davon, dass das Italienisch ohnehin die ästhetisch vorzugswürdige Option darstellt, sind Grundkenntnisse ebenso dringend wie nötig und können auf passablem Weg unter anderem beim Zentralen Sprachlabor der Universität Heidelberg durch vierstündige Basiskurse erlernt werden. Ein sehr effizientes Angebot stellen aber insbesondere die Sprachkurse vor Ort dar, die programmunabhängig (und leider oft, ohne dass man von ihnen weiß) in Perugia und Siena angeboten werden und authentisch in Land und Leute einführen.
In Bologna dann gibt es obendrein einen Sprachkurs vonseiten der sog. CILTA, einem dort ansässigen universitären Sprachlabor, dessen Belegung kostenfrei ist. Der Kurs findet im September statt, ein zweiter, der sehr oft wegen zu hoher Nachfrage angeboten wird, läuft dann vorlesungsbegleitend im November. Die Kurse sind sinnig, insbesondere weil man Leute kennenlernt und manch eingerostetes Wissen reaktivieren kann. Obendrein finden sich einige Privatsprachschulen in der Stadt, die kleine, teils sehr effiziente Kurse zu dann allerdings fürstlichen Preisen anbieten.
2. Zimmersuche
Am klügsten freilich ist es, zur Verbesserung der eigenen Sprachfähigkeiten mit Italienern zusammenzuwohnen. Das Finden einer schönen Wohnung, eines Zimmers im Allgemeinen ist unterdessen mindestens ein Gesellenstück. Die Bolognesen flüchten im August fast vollständig aus der Stadt, sodass eine vorherige Suche nur im Juli Sinn ergibt. Die Alternative wäre dann ein Ausschauhalten direkt im September, mit gewiss noch größerem Angebot, aber vielleicht zu viel Zeitdruck. Jedenfalls empfiehlt es sich, für diesen Zeitraum im Hotel und nach Möglichkeit auch sehr zentral zu wohnen. Für jeden Hotelaufenthalt in Bologna gilt die Regel, je zentrumsnäher, desto besser. Im Juli lohnt ein Besuch besonders, weil der größte Platz der Stadt, die imposante Piazza Maggiore vollständig bestuhlt wird, sodass gut vierzehnhundert Menschen Platz finden, um jeden Abend kostenfrei einen herrlichen Film zu schauen.
Für die eigentliche Wohnungssuche empfiehlt sich die Anmeldung bei den einschlägigen Portalen, vor allem easystanza. Auf Empfehlung hatte ich damals eine monatliche Premiummitgliedschaft gekauft, die mir gleich die Telefonnummern der Inserenten anzeigte. Man schalte dort ruhig auch ein gut formuliertes, aussagekräftiges Gesuch und warte auf Nachrichten. Über diesen Weg habe ich mein wunderschönes Zimmer in unserer Zweier-WG direkt an den Due Torri, dem Wahrzeichen der Stadt, erhalten. Sicherlich sei obendrein ein aufmerksamer Blick an die in der via Zamboni, der Studentenstraße, aufgeklebten Inserate angeregt. Und gleich die erste große Falle dort: Italiener lieben Titel und Superlative. Wie jeder bessere Student von der Bedienung in der Kneipe Dottore genannt wird, verbirgt sich hinter einem centralissimo gelegenen, lichtdurchfluteten Zimmer gern ein dunkles Loch fernab jeder Stadtmauer, innerhalb derer ich ein Wohnen unbedingt anrege.
Die Mietpreise sind auch für Heidelberger Studenten hoch, weil man oft 400 bis 550 Euro für ein Einzelzimmer in einer WG rechnen sollte. Einzimmerwohnungen, sog. monolocali, kosten 700 Euro und mehr, bringen obendrein nicht den gewünschten kulturellen Austausch. Wegen der hohen Preise (für oft nicht zufriedenstellenden Komfort) ist es durchaus üblich, sich ein Zimmer als doppia (Doppelzimmer) zu teilen. Deren Preise kursieren dann um etwa 300 Euro. Nebenkosten sind meist zusätzlich anfallend und wegen mehrfach fehlender Mietverträge teils willkürlich hoch. Man achte also sorgfältig auf den Vermieter. Nach einiger investierter Zeit wird man dann sein Domizil gefunden haben und womöglich noch über lustige italienische Mitbewohner staunen, von deren Gewohnheiten zu lernen täglich mehr zur Freude werden wird.
II. Ankunft
1. Behördengänge
Auf Dauer dann in Bologna angekommen, sind freilich ein paar Behördengänge zu erledigen. Zunächst sollte man zum International Office gehen und sich "anmelden". Hierfür genügt meiner Erinnerung nach das Mitbringen zweier Passfotos sowie des Personalausweises. Um langes Warten zu umgehen, ist es ratsam, sich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen und bereits eine halbe Stunde vor Beginn da zu sein. Der Vorgang selbst dauert nicht lang, das Personal ist sehr freundlich und spricht auch Englisch. Nach ein paar Tagen dann darf man wiederkommen und erhält seine Erasmusmappe inklusive Ausweis, Chipkarte und (relativ unnützem) Informationsmaterial. Die dort unterzeichnete certification of host university faxt man alsdann unverzüglich nach Deutschland, wobei die unzähligen copisterie dankbarer Anlaufpunkt sind.
Ebenfalls notwendig ist es mitunter, ein italienisches Bankkonto vorweisen zu können. Wer mit Kreditkarte im Ausland abhebt, umgeht das fürs Erste. Sofern man sich aber in irgendeiner Gelegenheit vertraglich binden möchte, ist es erforderlich, ein italienisches Konto aufzuweisen. Hierfür empfehle ich die Deutsche Bank Italia, die eine Filiale in der via Marconi hat und Studenten ein kostenloses Girokonto zur Verfügung stellt. Service wie Beratung sind ausgezeichnet und unkompliziert.
2. Handy
Es empfiehlt sich, in Bologna eine Prepaid-Karte zu kaufen, mit der man dann zu sehr günstigen Konditionen telefonieren kann. Die meisten Studenten nutzen das Netz Wind, sodass man untereinander für einen Zuschlag von sechs Euro monatlich grds. kostenlos telefoniert, Milliarden Frei-SMS inklusive.
3. Verkehrsmittel
Wer meiner Empfehlung folgt und unmittelbar ins centrocentro zieht, benötigt nur wenige Verkehrsmittel. Das Mitbringen oder gar Anschaffen eines Autos ist nicht ratsam, weil keine sicheren und gleichzeitig bezahlbaren Parkplätze zur Verfügung stehen; Innenstadtgaragen kosten monatlich gern dreistellige Summen. Sofern man für Reisen ein Auto benötigt, gibt es jede Menge Autovermietungen.
Bologna kann einen Flughafen aufweisen, der auch regelmäßige Verbindungen nach Deutschland kennt. So fliegen täglich mehrere Maschinen nach Frankfurt oder München (Lufthansa, oft gute Angebote für 100 Euro beide Wege), eine nach Köln/Bonn (Germanwings) und eine nach Hahn und Weeze (Ryanair), ebenfalls mit guten Angeboten. Auch für inneritalienische Flüge sind die Anbindungen sehr günstig. Gleichzeitig ist die Stadt Schienenknotenpunkt des italienischen Eisenbahnnetzes, sodass man geschwind und in aller Regel sehr günstig alle großen italienischen Städte erreicht. Stündlich verkehren Frecce, die zwar teureren, aber außerordentlich schnellen Züge, nach Süden (Rom, Neapel) und Norden (Mailand). Obendrein ist das Regionalverkehrsnetz weitaus stärker ausgebaut als in Deutschland, sodass sich auch mal eine Fahrt zu den Weihnachtsmärkten Südtirols anbietet.
Wer gleichwohl für Einkäufe ein Fahrrad im Innenhof stehen haben möchte, der sollte nach Möglichkeit vor Ort eins kaufen, um es dann zum Ende einfach zu verkaufen oder stehenzulassen. Die Diebstahlsquote an Fahrrädern ist überdurchschnittlich, sodass es sich insbesondere im Univiertel nicht empfiehlt, wunderschöne nostalgische Kunstwerke ins Stadtbild einzufügen zu versuchen.
4. Erasmusorganisationen
Gerade für den Anfang hilfreich sind die zwei großen Erasmusorganisationen (ESN und ESEG), die ein Programm für neue Auslandsstudenten anbieten, das von Reisen über Tandemangebote bis hin zu Abendprogrammen reicht. Wenngleich wir das Land lieber selbstorganisiert und außerhalb von Zeitplänen erkundet haben, bietet manches anberaumte Treffen gerade am Anfang Möglichkeit, einander genauer kennenzulernen. Die Teams sind in der Regel sehr freundlich und familiär organisiert. Ich rate indessen dazu, spätestens zum zweiten Semester auch mal selbst und ohne Zehnliterflaschen Alkohol die Umgebung zu bereisen.
III. Studium
1. Organisation und Ablauf
Wer in Italien studieren möchte, sollte von Beginn an eine offene, unvoreingenommene Haltung an den Tag legen. Vieles ist weniger engmaschig geregelt, manches einfach unergründliches Gewohnheitsrecht. Das Jurastudium ist vollkommen anders organisiert, als wir es hierzulande kennen. Die Studenten haben ein "3+2"-System, das die italienische Übersetzung für "Bologna-Prozess" sein soll. Einen Abschluss erhält derjenige, der eine gewisse Anzahl an Prüfungen, die immer am jeweiligen Semesterende abgehalten werden (dazu sogleich), besteht. Ein Endexamen in Form eines Staatsexamens kennt das italienische System nicht.
Die juristische Fakultät selbst ist eine merkwürdig-interessante Melange aus traditionalistischem Professorenkult und italienischer Coolness, der sich wiederum auch die Professoren anzunehmen schienen. Ein Professor taucht daher gern einmal sonnenbebrillt mit zwei Assistentinnen im Hörsaal auf, erntet tosenden Applaus, lässt sich befeiern und genießt im Anschluss daran ab Beginn seiner fachbezogenen Ausführungen (oft erst nach zwanzig Minuten oder mehr) absolute Ruhe und den Respekt seiner Studenten. Das macht die Vorlesungen sehr amüsant und abwechslungsreich.
Das Gebäude, ein uralter Palazzo mit wunderschönem Innenhof, befindet sich am Anfang der via Zamboni und beherbergt das Gros der Vorlesungsräume. Die Akustik leidet leider sehr oft an den hohen Räumen, sodass es nicht immer einfach ist, alles zu verstehen. Obendrein gibt es ein in der Nähe gelegenes Gebäude (via Belmeloro), in dem auch sehr große Hörsäle untergebracht sind und das sich alle Fakultäten teilen. Dort finden vor allem Veranstaltungen für die ersten Semester statt, weil deren Besucherzahl jede Kapazität der heiligen Hallen sprengt.
Es schadet gewiss nicht, sich in der Pause dem Professor als deutscher Gaststudent vorzustellen und ein bisschen zu plaudern, sodass sich ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Zwingend ist dieses mE aber nicht: Generell delegieren die Professoren überdurchschnittlich viel, sodass ein persönlicher Eindruck in den meisten Fällen zwar nicht schadet, aber leider auch oft belanglos im Raum steht. Vieles wird von den Assistenten organisiert, die den Gaststudenten aber allesamt sehr freundlich, aufgeschlossen und vor allem verständnisvoll begegnen.
Neben dem sog. Erasmus-Tutor existiert im Gebäude der juristischen Fakultät auch ein eigenes Erasmusbüro (ungleich International Office), das immer freitags um die Mittagszeit geöffnet ist und Anlaufstelle für Unterschriften und Hilfestellungen sein kann.
2. Kurswahl
Für die Kurswahl sollte man sich die großzügig zugestandene Zeit auch nehmen. Das Vorlesungsverzeichnis, das man vorab auf der Homepage der juristischen Fakultät einsehen kann, ist sehr groß, aber immer für ein gesamtes Akademisches Jahr (A.A.) konzipiert. Daraus folgt der (uns fremde) Schluss, dass man nicht erkennen kann, ob eine Vorlesung im Winter- oder Sommersemester angeboten wird. Das Verzeichnis wird daher ergänzt von den sog. orari delle lezioni, den Stundenplänen, die jeweils ab Semesterbeginn (wohl ab September) ebenfalls über die Seite der juristischen Fakultät einsehbar sind. Dort findet sich dann ein detaillierter Stundenplan, aufgeteilt nach den einzelnen Semestern. Gleiches gibt es bei besagtem Erasmusbüro in der Fakultät auch als Handreichung.
Ich empfehle, durchaus auch Vorlesungen in Betracht zu ziehen, die für fortgeschrittene Stundenten konzipiert sind, weil die Kurse kleiner und der Zugang zum Professor sowie insbesondere die Lernatmosphäre besser sind. Gerade manch Erstsemesterkurs, der teils viergleisig in Hörsälen mit gut besetzten 300 Studenten gelesen wird, ermüdet eher, als dass er Zugang zur Denk- und Arbeitsweise an einer italienischen Universität bringen kann.
Die Europa- und Völkerrechtskurse, die erst im Sommersemester angeboten werden, sind sehr hilfreich und intensiv. Es gibt nämlich die Regel, dass jeder Kurs, auch der des Seehandelsrechts, in sechs Semesterwochenstunden gelesen wird. Man sollte sich daher keinesfalls überfrachten, weil dann kein hinreichendes Verfolgen der Vorlesung mehr möglich ist. Ich rate dazu, italienischsprachige Kurse zu besuchen, weil das Englisch an der Universität leider oft nicht gut beherrscht wird und es doch auch interessant ist, die juristische Fachsprache Italiens ein bisschen näher kennenzulernen. Insbesondere kann ich Kurse von Professoressa Rossi (Wintersemester) und Professore Tanzi (Sommersemester) empfehlen, die genau und doch verständlich dozieren. Gerade in der ersten Woche sollte man viel hören, um schon ein Bild davon zu bekommen, was in die engere Auswahl gelangt. Erst nachdem all das geschehen ist, ist es sinnig, das Learning Agreement in endgültiger Fassung aufzustellen und unterschreiben zu lassen.
3. Prüfungen
Der italienische Prüfungsmythos weht durch die portici Bolognas, jene Bogengänge, die das Flanieren auch bei Regen zu einem Kinderspiel werden lassen... Mit esame meint der gemeine italienische Student eigentlich immer eine endsemestrige Prüfung, die zumeist mündlich abgenommen wird und irgendeine Punktzahl einbringt, die für ihn zum Ende seines Studiums vielleicht einmal interessant ist. Immer vorausgesetzt, ein neues Gesetz denkt sich das nicht anders. Und so kriechen Manie und Panik sehr leicht in die Köpfe, gerade in die der Gaststudenten.
Ich halte es für unerlässlich, sich zu vergegenwärtigen, worum es hier überhaupt geht. Nämlich um das pure Abfragen des Kursinhaltes eines Semesters. Dazu werden von den Professoren gewisse Traktate (manuali) empfohlen, die oft auch von ihnen herausgegeben werden und dadurch den Stoff schön systematisch am Vorlesungsablauf orientiert darstellen. Man tut gut daran, während der Vorlesung einfach immer begleitend das Buch zu lesen (Achtung, Bestellungen dauern in italienischen Buchhandlungen nicht einen Tag, sondern grds. eine Woche), was eine panische Prüfungsvorbereitungszeit vermeidet. Wenn man wie wir nicht gezwungen ist, viele Kurse zu besuchen, kann man es schaffen, das teils leider sehr anspruchsvolle Fachitalienisch zu meistern. Das von mir zu bearbeitende Völkerrechtslehrbuch umfasste 600 Seiten, die sich gewiss nicht wie 600 deutsche Seiten lasen. Das sollte man ebenfalls bei der Kurswahl mitbeachten.
Während des Kurses wird in der Regel irgendwann mitgeteilt, wann die Prüfungen stattfinden. Die Prüfungszeit schließt sich dabei immer an die Vorlesungszeit an. Zur Anmeldung ist eine Zusammenstellung des Studienplans im Onlineportal der Universität notwendig, die allerdings kinderleicht ist. Im Anschluss muss man sich dann noch mal für den jeweiligen Kurs, den man zuvor im Studienplan erfasst haben wollte, zum jeweils korrespondieren Prüfungstermin anmelden. Man erhält eine Bestätigung mit einer Prüfungsnummer und glaubt, alles sei hervorragend organisiert.
Die Realität lehrt uns das Gegenteil. Zum vorgemerkten Prüfungstermin erscheint man dann zu angegeben morgendlicher Uhrzeit. Alsdann sammelt ein Assistent des Lehrstuhls unter Aufrufen der Namen der online Angemeldeten die libretti (Studienbücher) ein, die bei Erasmusstudenten nur ein Blatt tabellarisches Papier sind. Mit diesem Haufen an Studienbüchern verschwindet er in den Prüfungsraum, einem Hörsaal, in dem vorn ein langer Tisch steht (analog Bundespressekonferenz), an dem wiederum die Prüfer Platz nehmen. Das sind je nach Kursgröße zwischen drei und fünf. Der riesige Berg Studienbücher wird dann willkürlich zwischen den Prüfern verteilt, sodass die vorab zugestandene Prüfungsnummer überhaupt keine Relevanz hat. Der Rest des Hörsaals ist indessen von allen wartenden Studenten gefüllt und die jeweiligen Prüfer rufen ihren Prüfling auf, der dann wie bei einem Beratungsgespräch vor ihnen Platz nimmt. Der Prüfer schaut in das zu lesende Lehrbuch, nennt ein Kapitel und der Student soll all das dazu erzählen, was er gelernt hat. Nach höchst unterschiedlicher Zeit bekommt man dann eine Punktzahl gesagt und geht zu dem Assistenten von vorhin, der die Zahl dann in den Computer eingibt. Dieser technische Vorgang ist nötig, damit die Prüfungsleistung "verbalisiert" wird und dann im Onlinestudienplan des jeweiligen Studenten auftaucht. Obendrein bekommt man – sicherheitshalber – sein Studienbuch mit dem jeweiligen Prüfungsergebnis ausgefüllt. Oft misslingen nämlich die Verbalisierungen, wenngleich sie die Modernität der Fakultät zu unterstreichen vorhatten.
Die Prüfer sind in aller Regel, zumal wenn es sich um Gaststudenten handelt, sehr nett und hilfsbereit, sodass man keine unnütze Angst haben muss. Allerdings ist es durchaus anstrengend, die ganze Zeit zu warten, bis irgendwann dann mal der eigene Name aufgerufen wird. Das dauert dank Mittagspause des Professors teils sechs Stunden, wie ich selbst erleben musste. Dann aber ist alles gut und man kann hoffentlich froh und zufrieden nach Hause gehen – oder eben flanieren.
IV. Freizeit
1. Reisen
Wie bereits oben erwähnt, ist Bologna in jeder Hinsicht Verkehrsknotenpunkt. Das bringt für den Studenten viele Vorteile, nicht zuletzt zum Reisen. Die Emilia-Romagna sollte durchaus auch erkundet werden, selbst wenn der Reiseführer sie mit wenigen Worten abtun möge. Parma lohnt besonders zum Schinkenfest im Herbst, Modena zum Besuch des Museums für den Balsamessig in Spilamberto, zu dem man abenteuerlich überland fahren muss, aber mit erstklassigem aceto balsamico tradizionale belohnt wird. Ravenna lohnt einen Ausflug wegen seiner famosen Kirchen und nicht zuletzt bietet das Meer Anreize zum Baden.
Venedig ist mit dem Zug ebenfalls sehr gut erreichbar und lohnt insbesondere als Paar mit Übernachtung. Florenz wie die gesamte Toskana liegen in guter Erreichbarkeit und könnten das Anmieten eines Autos rechtfertigen. So manches agriturismo in den Bergen zwischen Bologna und Florenz wartet mit Köstlichkeiten und tollem Ausblick regelrecht auf einen Besuch mit Übernachtung. Während des Jahres rate ich freilich auch unbedingt eine Romreise an, die mindestens drei Nächte umfassen sollte. Gerade im noch schönen Herbst oder im frühen Frühling sind die großen Städte wie Rom, Venedig oder Mailand nicht überfüllt und auch zentrale und schöne Hotels bezahlbar. Wir haben obendrein noch eine Reise nach Perugia und Assisi unternommen, die ich nur weiterempfehlen kann. Diese mittelalterlichen Stätten gehörten zu den schönsten Zielen meines Jahres.
Oberhalb von Mailand bietet das Piemont mit Turin tolle Anreize, einen richtig ausladenden aperitivo einzunehmen, der die Augen größer werden lässt. Von dort aus gleich weiter nach Ligurien ans Meer, entlang der cinqueterre über Portofino an die Riviera, dort dann ein Auto mieten und schließlich, was liegt näher?, kurz nach Südfrankreich herüber, in Nizza einen Chanson hören und die reizvolle Landschaft auskosten. Ein großes Vorhaben, das geplant sein will, aber in einer Kleingruppe bis vier Leute wunderschön und dauerhaft in Erinnerung bleiben wird. Von wo aus ginge all das besser als von Bologna!?
2. Bologna – la grassa
Bologna werden oft drei Eigenschaften nachgesagt. Sie sei la rossa, die Rote, entweder wegen ihrer roten Dächer oder (Alternativthese) des etwas linken Studentenlebens, das aber nur so alternativ ist, wie man es selbst möchte, bietet die Stadt doch gerade für alles und jeden genau das Richtige, um glücklich zu werden. Ferner sei sie la dotta, die Gelehrte wegen ihrer Universität, die als älteste europäische Universität verstanden wird.
Drittens schließlich nennt man sie la grassa, die Fette, und das aus einem nur allzu passenden Grund: der herausragenden Küche höchster Qualität. Die Emilia-Romagna, deren Hauptstadt Bologna ist, kann nämlich guten Gewissens das kulinarische Herz Italiens genannt werden. Aus der Region um Parma stammt der delikate luftgetrocknete Parmaschinken, ebenso wie der Parmigiano Reggiano, aus Modena kommt der teils exzellente aceto balsamico, und direkt bolognesisch ist die fleischige Pastasauce, die dort nur ragù genannt wird. Obendrein verbindet man mit Bologna die lasagne und jede Menge frischgemachte Pasta, vornan die tagliatelle und die tortellini. Das alles zusammen ist beste Voraussetzung für eine Küche der Träume, die man in der Stadt geboten bekommt. Wegen der relativ wenigen Touristen (Bologna hat keine gänzlich fußgängeraffine Innenstadt; ein Fluss fehlt obendrein) passt man sich nicht an fremdländische Gewohnheiten an – die Küche bleibt authentisch und hochwertig.
Und so wird des Gourmetstudenten Herz höher schlagen, wenn er durch die Schinkenstraßen läuft und hier und dort einkauft, mal ein Stück Kalb, mal Schinken, mal Käse, mal frische Artischocken, mal tollen Fisch, und dort wie jeder andere Bürger Bolognas hofiert wird. Und so läuft er nach Hause, die Tüten voll, legt einen Stop in der Caffè-Bar um die Ecke ein, trinkt einen Spritz, parliert dabei kurz mit dem Betreiber über den besten Prosecco, den man dafür nehmen sollte, grüßt zufrieden in den Abend, kehrt nach Haus zurück und kocht – unter dem durchschlagenden Gefühl, wirklich angekommen zu sein.
Bologna, Juli 2010
heideljura - 10. Aug, 18:19
