Sonntag, 14. Februar 2010

Schlemmerparadies - mehr denn je

Plötzlicher Anflug von Impertinenz, bewusstes Abtauchen, Unverschämtheit, Verschollensein ...

Derlei mag man Eurerseits so denken über das nicht gerade rege Wiederbeleben meines Blogs im neuen Jahr 2010, für das ich Euch am Rande und im Übrigen noch alles nur erdenklich Gute wünschen will.

Beruhigt könnt Ihr sein: Mir sind während des Jahreswechsels keine Impertinenz-Allüren zugeflattert, und vom Verschollensein bin ich auch ein gutes Stückweit entfernt. Im Gegenteil, im Gegenteil. Ich fand einfach nicht die Zeit oder besser Ich nahm mir einfach nicht die Zeit, Euch an meinem neujährlichen Bolognaleben teilnehmen zu lassen. Nun aber habe ich mir in meiner unschätzbar hohen Sozialkompetenz ein Herz gefasst und es gewagt: Hört, hört! Da ist er, der erste Blogbeitrag anno currente. Dass es der längste werden wird, das steht weder für Euch noch für Eure hochgeschätzten Augen zu befürchten. Ich reiße mich – wohlwollend, wie ich bin – etwas zusammen und straffe alle Erlebnisse in eine konzise Zusammenschau.
Dass hier alles zu bester Ordnung steht, sieht man vielleicht an einer kleinen Beschreibung des Tagesabschnitts, in dem ich mich gerade und jetzt befinde: die Frühstückszeit. Auf dem Gasherd quackert die Bialetti vor sich hin, nebenan Gevatter Milchaufschäumer, wenige hundert Meter weiter im Salon des De-Vincenti-Penthouses dann allerschönste Sonntags-Frühstücksidylle mit Kerzen, viel weißem Damast und ner guten Portion italienischen Delikatessen, die vom Friaulschen San Daniele über das emilianische Bologna bis zum lombardischen Mailand reichen. Naja, und dass deutsche Marmelade sich dazugesellt, entbehrt ja jeder Diskussion. Hab ich Euch eigentlich schon erzählt, dass die Eier in Italien irgendwie auffallend orangenes Eigelb haben? Ihr als meine Gourmet-Entourage kennt das – ganz abwegig – vielleicht auch von der Nantaiser Ente, die öfters mal etwas gelber als ihre Leidensgenossen daherkommt. Der Grund mag wohl nur in der Maisfütterung liegen. So ist auf dem schönen alten Tisch alles versammelt, was glücklich macht und mich deshalb einmal in die passende Stimmung versetzt, ein paar Worte loszulassen.

Universitär gibt es noch nicht viel zu verlautbaren, weil die Alma Mater ihre Pforten erst wieder am ersten März öffnet und einstweilen also Ferienzeit ist. Was böte sich da Besseres an, als Bologna hinter sich zu lassen und einfach noch exzessiver als bisher durch die Lande zu reisen?! Nach dem Weihnachtsmarkttrip ins idyllische Bozen brachte dieses Jahr nun die Idee aufs Tapet, einmal ganz à la Goethe ins schöne, weil mittelalterliche Perugia zu reisen und obendrein benachbartes Assisi anzuschauen (vgl. hierzu wie generell meine Fotoschau unter http://heidelbo.twoday.net/topics/Fotos/ ). Gesagt, geplant, getan. Diese Trias mag mancher spießig finden, weil doch nicht alles geplant werden müsste. D'accord. Und dennoch waren und sind wir uns absolut einig, vorab wenigstens ein bisschen Reiseführer und – noch wichtiger! – Restaurantführer gelesen zu haben. Denn nur so lassen sich schnuckelige Hotels und urige Trattorien finden, nur so werden Idyllen nicht auf dem kurze-Hosen-Tourist-Altar geopfert. Tja, so freilich auch in Perugia, wo wir höchst idyllisch zwei Tage weilten, lecker den schwarzen Spoleto-Trüffel verschlangen und Kultur bis ins kleinste Detail einatmeten. Tags darauf setzte Assisi noch eins drauf und schaffte es, dass uns Umbrien nun endgültig verzaubern konnte.
Aber wir wären keine Reisefreunde, wenn es dabei geblieben wäre. Selbstverständlich waren auch wieder Städte wie Mailand oder Padua im Programm, wo entweder leckere, ausufernde Aperitivi oder mit Entenragout gefüllte Tortelli uns kulinarische Zufriedenheit einhauchten. Schließlich und letztlich dann aber trieb mich die Toskana noch um und so kombinierte ich das geschickt mit Charlottes separater Umbrien-Toskana-Woche, in die ich im toskanischen Teil "zustieg". Diese lokomotivische Allegorie war gewollt – bedenkt man, wie abenteuerlich diese ganze Zugfahrerei doch war. Das letzte Stückchen ins Weinparadies Montepulciano, das wir uns gemeinsam als Toskanaörtchen aussuchten, legten wir abenteuerlich ohne Zugoberleitungen und daher mit Dieselantrieb zurück. In Montepulciano angekommen, war das historische Zentrum aber weit und breit nicht zu sehen, nach Auskunft gar zehn Kilometer entfernt. In einem Minibus über toskanische Hügel, staubige Straßen, entlang der Zypressenalleen fanden wir schließlich das traumhafte Montepulciano, in dem wir nicht nur sehr schön wohnten, sondern auch vorzüglich frische Pasta mit betrüffeltem Wildschweinragout regelrecht verschlangen. Die (an sich unter Euch geradehin nicht vorhandene, dennoch in Person mancher Fremdleserschaft existieren könnende) McDonald's-Fraktion wird sich fragen, warum ich ständig nur vom Essen spreche. Soll sie sich das mal ruhig fragen.
Ursprünglich plante ich aber nicht nur Montepulciano, um die Toskana zu entdecken, sondern wollte noch ein feines Schmankerl (ausnahmsweise nicht kulinarischer Provenienz) draufsetzen, nämlich die berühmten toskanischen Thermalquellen, die sich allerorten dort befinden, auskundschaften. Und so suchte ich mir einen wirklichen Ruhepol in den Bagni San Filippo, einem Weiher mit nicht mehr als fünfzig Einwohnern, einem sehr schönen Hotel und angeschlossenen Felsthermalschwimmbecken mit fünfzig Grad heißem Wasser. Voller Erwartung schaute ich vorab schon bei dem Busunternehmen aus Siena nach, wie genau ich denn dort hinkäme (zwei Busse am Tag) und war bestens präpariert auf zwei weitere Tage Toskana, diesmal in nicht überbietbarer Abgeschiedenheit. Nicht überbietbar war sie aber leider auch insoweit, als das Hotel bis April überhaupt nicht geöffnet hat. Eine kleine Enttäuschung, wie ich zugeben muss. Und dennoch freue ich mich umso mehr darauf, dieses Erlebnis baldestmöglich nachzuholen!

Nun ja, aber realistisch gesehen bin ich das Gros der Tage natürlich gleichwohl in Bologna, dieser nach wie vor wunderschönen Stadt mit wahnsinnig hohem Freizeitwert und bester Küche. So erinnere ich mich nur der tollen Abende in der Trattoria San Felice (in der es für einen Spottpreis von zwölf Euro ein ganzes Menü authentischer bolognesischer Küche gibt), des Aperitifs in der Champagner-Bar, bei dem Hellen und ich Zeugen unergündlicher Zaubertricks wurden, oder der leckeren Mittagessen bei Tamburini (Wursthandlung mit korrespondierendem Mittagstisch) und Cesare, für deren Empfehlung ich spätestens an dieser Stelle Felix mal danken muss.
Hinzu kommen unzählige Abendessen in meinem bescheidenen Hause, dem wir mehrheitlich liebevoll den Namen "Palazzo De Vincenti" gegeben haben. Diese Entscheidung wurde im Übrigen nicht nur von meinem Mitbewohner Max mitgetragen. Max, von dem ich Euch schon ein paar Male erzählt hatte, ist nun ausgezogen und studiert fortan in Kanada. Hinterlassen hat er ein leeres Zimmer, in das ihm nun vor zwei Wochen meine neue Mitbewohnerin Anna nachfolgte. Sie ist eine ausgesprochen nette, sehr angenehme Schwedin, die auch sehr gut Italienisch spricht, sodass wir sehr gut zurechtkommen. Nun ja, und weil leider sehr, sehr viele meiner Freunde nach diesem Semester wieder nach Deutschland gehen, habe ich wenigstens ein bisschen willkommene Abwechslung ein paar neue Impulse, damit auch die schöne Jahreszeit kommen kann. Begleitet wird diese dann von sehr vielen Besuchen und auch ein bisschen Uni, sodass die Zeit wie im Fluge vergehen wird. Das befürchte ich jedenfalls... Aber rein theoretisch ist's bis dahin noch eine lange Zeit, die dieses Mal hoffentlich wieder von regen Blogbeiträgen begleitet werden wird. Darauf dürft Ihr Euch freuen. Nun aber ist gut mit der Schreiberei: Gleich steht Besuch vor der Tür, der wahnwitzigerweise ein Mehrgängemenü zuzubereiten plant. Schon wieder Essen.
Küche, ich komme – hic Rhodus, hic salta!

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